© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

13.000.000.000 Dollar im Monat
Irak-Krieg: Die Kosten des Einsatzes werden völlig unterschätzt / Gefahren für Wirtschaft und US-Währung
Günther Deschner

Am 20. März jährte sich zum fünften Mal der Tag, an dem George W. Bush seinen Krieg gegen den Irak begann. Schon am 14. April 2003, nachdem die hart umkämpfte Stadt Tikrit (der Geburtsort des damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein) eingenommen war, wurde der Krieg vom Pentagon für beendet erklärt. Am 1. Mai meldete der US-Präsident dann in einem peinlichen Auftritt auf dem US-Flugzeugträger "USS Abraham Lincoln", die "Mission" sei "accomplished" - der Krieg sei abgehakt.

Besorgte Stimmen, die an den sich endlos hinziehenden Vietnamkrieg und seine explodierenden Kosten erinnerten, wurden von der US-Regierung zum Schweigen gebracht. 100 bis allerhöchstens 200 Milliarden Dollar insgesamt, teurer könne das als "Krieg gegen den Terror" verkaufte Abenteuer keinesfalls werden, garantierte der damalige Wirtschaftsberater des Präsidenten, Lawrence Lindsey, das sei "die absolute Obergrenze". Der heute gern verschwiegene damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld korrigierte Lindseys Zahl sogar noch nach unten - auf "etwas unter 50 Milliarden". Und selbst die, so schwadronierte sein damaliger Stellvertreter Paul Wolfowitz, würden nicht am amerikanischen Steuerzahler hängenbleiben, sondern "mit irakischen Ölexporten" finanziert werden. In die Geschichtsschreibung werden diese Fakten als eine der größten Fehlspekulationen eingehen, zu denen sich politische und militärische Führer jemals verstiegen haben.

Vor diesem Hintergrund wirkt das neue Buch des amerikanischen Nobelpreisträgers Joseph E. Stiglitz und seiner Koautorin Linda J. Bilmes wie eine Magnesiumbombe, die mit ihrem Lichtblitz die von Bush und seinen Helfern gern verdüsterten Fakten in das gleißende Licht der Wahrheit taucht. In ihrem Buch "The Three Trillion Dollar War" (Der Drei-Billionen-Dollar-Krieg) haben die beiden Autoren die Kosten des Irak-Kriegs und des damit in Zusammenhang stehenden Kriegs in Afghanistan allein für die USA auf drei Billionen Dollar (in Zahlen: 3.000.000.000.000 Dollar) beziffert. Stiglitz, der 2001 den Nobelpreis für Wirtschaft erhielt, ist Professor an der Columbia-Universität in New York und war von 1997 bis 2000 Chefökonom der Weltbank. Bilmes ist Wirtschaftsprofessorin in Harvard und Gutachterin für den Forschungsdienst des amerikanischen Kongresses.

Zwar kann selbst die Bush-Regierung nicht mehr verbergen, daß die Kriegskosten seit Jahren drastisch höher sind als die Phantasiezahlen, die sie im Jahr 2003 genannt hat. Allein für das Haushaltsjahr 2008 sind für den Irak-Krieg mehr als 160 Milliarden eingestellt - rund 13.000.000.000 Dollar pro Monat. Auch die Haushaltsstelle des US-Kongresses rechnet dementsprechend bis 2017 mit kumulierten Kosten zwischen 1,2 und 1,7 Billionen Dollar.

Die Billionen-Kriegskosten schwächen auch den Dollar

Stiglitz und Bilmes gehen bei ihren Berechnungen umfassender vor. Sie berücksichtigen nicht nur die reinen Militärkosten (Material, Treibstoff, Munition oder direkte Personalkosten) für die beiden Einsätze, sondern auch Ausgaben für die Botschaft, den Wiederaufbau und andere kriegsbedingte Angelegenheiten. Stiglitz wirft den offiziellen Stellen vor, wichtige hinzukommende kalkulatorische Posten zu "vergessen" oder bewußt zu "verstecken". Dazu zählen die immensen Demobilisierungs- und Abzugskosten, die irgendwann einmal - wenn die andauernde politische Diskussion über das "Stay or Leave", das "Bleiben oder Abziehen" entschieden sein wird - fällig werden. Stiglitz und Barnes rechnen auch die Kosten für die gesundheitlichen Kriegsfolgen mit ein, die aus der zum Teil lebenslang erforderlichen medizinischen Betreuung der Kriegsinvaliden entstehen. Stiglitz nennt erschreckende Zahlen. Von den - statistisch betrachtet - bislang 700.000 Heimkehrern mußte demnach jeder Dritte in einem Lazarett oder zivilen Krankenhaus behandelt werden.

Bilmes zufolge ist das Verhältnis von Verwundeten zu Toten einer der größten Unterschiede zwischen der "Operation Iraqi Freedom" und dem Vietnamkrieg. In Vietnam kamen 2,8 Verletzte auf einen Toten, im Irak seien es 16. Die Autoren schlüsseln die Kriegsverletzungen auch nach ihrer Häufigkeit auf: Demnach erleidet ein Fünftel "schwere Verwundungen", ein weiteres Fünftel Gehirnverletzungen oder psychische Schäden, sechs Prozent müssen sich einer Amputation unterziehen. Noch mehr als die direkten Behandlungs- und Betreuungskosten schlagen die Kosten für die Renten- und Abgeltungsansprüche verwundeter oder psychisch geschädigter Soldaten zu Buche. So bekämen weit mehr als hunderttausend Soldaten bis an ihr Lebensende eine Schwerbehindertenrente.

Mit ihrer Billionen-These und den vorgelegten Fakten haben die beiden renommierten Ökonomen gerade zu einem Zeitpunkt den Finger auf die schwärenden US-Wunden gelegt, an dem diese noch weiter aufbrechen: Der Abschwung der US-Wirtschaft, die nicht endenwollende Banken- und Finanzkrise, vor allem der dramatisch schrumpfende Außenwert des Dollar, der Ausstieg immer weiterer Staaten aus dem Greenback - der Trend zeigt immer deutlicher nach unten.

Zu diesem Zeitpunkt sind die schuldenfinanzierten drei Billionen Dollar Kriegskosten für einen unprovozierten, unnötigen und in seinem Ausgang noch ungewissen Krieg auch ein innenpolitisches Thema. Ginge Bushs Ära nicht ohnehin im Herbst zu Ende, dann hätten Stiglitz und Bilmes mit ihrem Buch vielleicht noch ein weiteres Argument für die politische Entsorgung dieses Abenteurers geliefert.

Foto: Versehrter US-Soldat kehrt heim: Auf einen Irak-Kriegs-Gefallenen kommen kostspielige 16 Verwundete

Joseph Stiglitz, Linda Bilmes: The Three Trillion Dollar War - The True Cost of the Iraq Conflict. W. W. Norton & Company, New York 2008, gebunden, 192 Seiten, 22,95 Dollar

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