© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

Berlusconi vor seiner dritten Wiederkehr
Italien: Im Wahlkampf treten rechts wie links auch außergewöhnliche Kandidaten an / Postkommunist Veltroni verkauft sich als italienischer Obama
Paola Bernardi

Rom ist vollgepflastert mit Wahlplakaten. Von jeder Straßenwand schauen die glatt retuschierten Politiker-Gesichter auf die Passanten. Wer wird das Rennen am 13. und 14. April machen, drei Jahre vor dem normalen Ende der Legislaturperiode, nach dem erzwungenen Rücktritt von Premier Romano Prodi? Werden es wie 2006 die Linken sein, diesmal unter Führung von Walter Veltroni (JF 31-32/07), dem 52jährigen Bürgermeister von Rom und Chef der postkommunistisch-linkskatholischen Demokratischen Partei (PD); oder wird der bisherige Oppositionsführer Silvio Berlusconi (71) mit dem Mitte-Rechts-Bündnis "Volk der Freiheit" (PDL) zum dritten Mal die Zügel ergreifen?

Klarer Verlierer ist schon jetzt Prodi, der nach 30 Jahren italienischer und EU-Politik endgültig seinen Abschied von der politischen Bühne ankündigte (JF 12/08). Er ist zwar noch PD-Chef, aber Veltroni ist längst öffentlich auf Distanz zu ihm. Veltroni, einst ein glühender Anhänger von Kommunistenchef Enrico Berlinguer, mutierte zum Kennedyaner und sieht sich nun als "Obama Italiens". Er verkündete ein Zwölf-Punkte-Programm mit ambitiöser Modernisierung der Infrastruktur, Steuerentlastungen, 1.000 Euro Mindestlohn, Familienunterstützung und Reduzierung der Staatsausgaben - um auch "rechte" Wähler zu gewinnen. Kein Wort verliert er über die dramatischen Wirtschaftsdaten Italiens. Zum ersten Mal war er mit seinem grünen Wahlkampfmobil auch in Venetien, einer Trutzburg der Rechten.

"Ich bin Faschist, allerdings in kultureller Hinsicht"

Unter dem Motto "Steh wieder auf, Italien" ist Berlusconi wieder in den Wahlkampf gesprungen. Er glaubt den Umfragen, die sein Bündnis weiter vorne sehen. Doch nicht alle wollen unter sein Dach: So hat der Führer der UDC-Christdemokraten, Pierferdinando Casini, sich nach 14 Jahren von Berlusconi getrennt und tritt alleine mit seiner Fünf-Prozent-Partei an, denn "nicht alle sind käuflich", ereiferte er sich im Fernsehen. Casini träumt von der Wiedergeburt der untergegangenen Democrazia Cristiana (DC), die Italien von 1945 bis 1993 mit bunten Koalitionen regierte. Er hoffte dabei auf die Hilfe des Vatikans, doch Kardinal Tarcisio winkte ab: Die Kirche bleibe neutral. Dafür kandidiert nun die 44jährige Prinzessin Alessandra Borghese für die UDC, die nach einem internationalen Jetset-Leben in den Schoß der Kirche zurückkehrte und nun mit Bekehrungsbüchern Erfolg hat.

Hohe Wellen schlug auch die Kandidatur des Verlegers Giuseppe Ciarrapico auf der PDl-Liste für den Senat. Denn der 73jährige bewundert öffentlich Benito Mussolini: "Ich bin Faschist, allerdings in kultureller Hinsicht, nicht in politischer. Es hängt mit dem Gedenken zusammen, mit meinem Herzen, meiner persönlichen Geschichte, meinen Idealen", erklärte Ciarrapico. "Doch ich respektiere die Demokratie und die Republik." Die jüdische Gemeinde in Rom zeigt sich besorgt, doch Berlusconi blieb hart: "Wir sind im Wahlkampf, und den müssen wir gewinnen", erklärte der Ex-Premier. "Ciarrapico besitzt einige Zeitungen im Latium und in Molise. Außerdem war er einst Präsident des Fußball-Ligisten AS Rom." Zu den Besonderheiten zählt auch die Liste für das Leben (Lista per la vita), mit der Rechtspolitiker Giuliano Ferrara bei den Wahlen antritt. Der 56jährige gilt als einer der brillantesten intellektuellen Köpfe Italiens. Er entstammt einer traditionsreichen kommunistischen Familie, seine Mutter war die Sekretärin von PCI-Chef Palmiro Togliatti.

Doch der Starjournalist schwor bereits vor Jahren dem Kommunismus ab und wandte sich Berlusconi zu. Nun kämpft er gegen das 1978 in Italien erlassene Abreibungsgesetz, fordert eine Verschärfung. Unterstützt wird er in seinem Vorhaben von Berlusconi. Während die katholische Kirche applaudiert, kämpfen viele italienische Ärzte dagegen. Und so ist das Thema Abtreibung auch zum Spaltpilz im bunten Veltroni-Lager geworden.

Nur den Vorsitzenden der christdemokratischen Kleinpartei Udeur, Clemente Mastella, der Prodi im Januar zu Fall brachte, will keiner mehr - weder rechts noch links. Trotzig erklärt der Ex-Justizministern: "Ich werde die Politik nicht lassen, ich gründe eine Liga Süd."

Das norditalienische Pendant, die Lega Nord von Ex-Minister Umberto Bossi, tritt hingegen erneut in Wahlallianz mit Berlusconi an. Für Aufsehen sorgte deren EU-Parlamentarier Mario Borghezio, indem er erklärte, die Unabhängigkeit des Kosovo ebne den Weg zu "Nationen ohne Staat, wie Padanien": Letzteres ist die Lega-Wunschbezeichnung für ein unabhängiges Nord-italien.

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