© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Frisch gepresst

Anti-Pluralismus. Lange galt unter denen, die einen Kurs "Carl Schmitt für Fortgeschrittene" durchlaufen hatten, eine Bochumer Dissertation aus dem historischen Jahr 1989 als Geheimtip. Schon deshalb, weil sie nahezu unauftreibbar war, nicht im Buchhandel erschienen, nur in den Katakomben der Universitätsbibliotheken eingelagert. Wer trotzdem die Mühe nicht scheute, dessen Blick blieb zunächst an einem Vorwort haften, das Hans-Joachim Arndt, Hans-Dietrich Sander und Günter Maschke als den geistigen Geburtshelfern einer Studie dankt, die Bernard Will­ms (1931-1991) als Doktorarbeit betreute. Nach fast zwanzig Jahren hat sich ihr Verfasser, der Mannheimer Rechtsanwalt Thor von Waldstein, Jahrgang 1959, entschlossen, das Werk wahrhaft zu "veröffentlichen" (Der Beutewert des Staates. Carl Schmitt und der Pluralismus. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 215 Seiten, 19,90 Euro). Sie ist seinem Lehrer Willm­s in continuationem gewidmet und hält an dessen Credo fest: "Ceterum censeo Germaniam esse restituendam." Diese Mahnung hat sowenig an Aktualität verloren wie der Ertrag, den von Waldsteins brillante und bis heute in der CS-Forschung unübertroffene Analyse der Schmittschen Pluralismuskritik in die Scheuer fährt.

 

Jürgen Fuchs. Der 1950 im Vogtland geborene, kurz vor dem Examen wegen angeblich DDR-kritischer Texte zwangsexmatrikulierte und nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 verhaftete Bürgerrechtler Jürgen Fuchs galt ausweislich der Fundstellen über ihn in Unterlagen des DDR-Staatssicherheit aus deren Sicht als Staatsfeind Nummer eins, noch vor Robert Havemann, Bärbel Bohley und Biermann. Er saß neun Monate in Stasi-Haft, bevor er 1977 zur Ausreise nach West-Berlin gezwungen wurde. Doch auch dort stand Fuchs im Visier der Mielke-Schergen, die zahlreiche "Zersetzungsmaßnahmen" gegen ihn inszenierte - bis hin zu dem sogar dokumentierten Vorhaben, eine radioaktive Quelle in seiner Nähe zu installieren. Als der Schriftsteller 1999 an einem seltenen Blutkrebs starb, forderte Pfarrer Matthias Storck bei der Trauerfeier dazu auf, dem Verdacht nachzugehen, daß "vielleicht diese tödliche Krankheit nicht gottgewollt, sondern menschengemacht" sei. Fuchs selber hatte die Vermutung, wonach Häftlinge in der DDR heimlich mittels Röntgengeräten verstrahlt worden sind, bereits Anfang der neunziger Jahre geäußert; der Verdacht konnte nie ausgeräumt werden. In einer ersten biographischen Annäherung hat sich jetzt der Publizist Udo Scheer, zeitweiliger Weggefährte von Fuchs, dessen Vita angenommen (Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hrsg.: Jürgen Fuchs. Ein literarischer Weg in die Opposition. Jaron Verlag, Berlin 2007, broschiert, 384 Seiten, Abbildungen, 14,90 Euro).

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