© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Hilflos gegenüber dem drohenden Dschihad
Annette Ramelsbergers verstörende Analyse über islamistische Terroristen, die mitten unter uns leben
Fabian Schmidt-Ahmad

Annette Ramelsberger, langjährige Mitarbeiterin der Süddeutschen Zeitung, ist im journalistischen Einerlei der deutschen Presselandschaft schon das eine oder andere Mal verhaltensauffällig geworden. Denn wenn ihre Kollegen reflexhaft zum weißen Stock greifen und allgemein von "sozialen Konflikten" raunen, spricht Ramelsberger auch schon mal von "arabischen Großfamilien", die möglicherweise "die Staatsmacht nur als neckisches Beiwerk betrachten". Man durfte also gespannt sein, wenn sich Ramelsberger nun mit ihrem ersten Buch, "Der deutsche Dschihad", den muslimischen Terrornetzwerken in Deutschland widmet.

Ramelsberger ist Journalistin, und das merkt man dem Buch an - im Guten wie im Schlechten. Es ist in elf Kapitel untergliedert, wobei jedes für sich in Form einer Reportage gehalten und einem Thema gewidmet ist wie den "Kofferbombern von Köln", der Ulmer Terrorszene, dem Attentat im tunesischen Djerba 2002 und dergleichen mehr. Offensichtlich waren die einzelnen Abschnitte auch eigenständig geplant, denn Protagonisten werden wiederholt neu eingeführt, was etwas irritierend wirkt. Auch die Reihenfolge der Kapitel verwirrt, da die Autorin vom jüngsten und spektakulärsten Fall ausgeht und sich chronologisch nach hinten durcharbeitet. Daß der Verlag unverständlicherweise das Inhaltsverzeichnis ohne Seitenangaben ausgestattet hat, trägt da nicht zur Übersichtlichkeit bei.

Dabei hätte die Autorin Effekthascherei überhaupt nicht nötig. Der Buchinhalt allein sorgt schon für genügend Interesse. Mehr als einmal möchte man die Buchseiten zusammenschlagen mit dem Gefühl, nur einen überspannten Agentenroman gelesen zu haben, aber nicht den Bericht einer Journalistin, die ganz offensichtlich gute Verbindungen zu deutschen Sicherheitsbehörden besitzt, die als Gerichtsreporterin bei allen sechs großen Terrorprozessen der vergangenen Jahre dabei war. Ersteres ermöglicht ihr beispielsweise, im Fall der "Kofferbomber" plastisch den Personenkreis zu erschließen, der sich in einem tödlichen Wettstreit mit dem Terror wiederfand.

Die Terroristen selbst bleiben dagegen meistens verschwommen und unbestimmt. Äußerlich gut integriert, streng religiös, sehr häufig mit einer Deutschen verheiratet und mit grellem Haß auf alles "Westliche" ausgestattet - hinter diesem Raster bleiben sie schlußendlich auch für Ramelsberger unerklärliche Phänomene. Ratlos wirkt sie, wenn sie den manchmal sehr kurzen Weg "vom Sinnsucher zum Radikalen" beschreibt. Dennoch gelingen ihr auch hier einige eindrucksvolle Charakterisierungen. Beispielsweise wenn sie den Auftritt von Rafik Y. vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim schildert, angeklagt des im öffentlichen Bewußtsein längst vergessenen Attentatsversuchs auf den irakischen Ministerpräsidenten Iyad Allawi in Berlin vor vier Jahren.

Ein düsteres, unwirkliches Bild zeichnet Ramelsberger von Stammheim, in dem noch die gleichen orangenen Plastikstühle, die gleichen Telefone mit Wählscheiben stehen wie vor dreißig Jahren. Doch die damalige Generation hat inzwischen die Richterrobe angezogen und sitzt einem keifenden, zeternden Angeklagten gegenüber, der wie ein surrealer Alptraum aus der Vergangenheit, eine groteske Mischung von Andreas Baader und Charles Manson, seine Flüche und Verwünschungen gegen unsere Gesellschaft ausstößt.

Es ist eine deutsche Lebenslüge zu glauben, unsere Freundlichkeit und Nächstenliebe gegen jedermann sei eine Art Schutz. Ramelsberger zeigt auf, daß bereits das Attentat in Djerba, bei dem auch Deutsche qualvoll in den Flammen starben, keineswegs ein willkürliches Ziel war. Dieses Ziel wurde vom Attentäter bewußt ausgesucht zu einer Zeit, als noch kein deutsches Kampfflugzeug über Afghanistan flog. Bestätigt und abgesegnet nicht etwa aus einer Höhle im Hindukusch oder einem Kellergewölbe in Basra, sondern wahrscheinlich aus dem Ruhrgebiet. Ramelsbergers Buch verstört, weil sie aufzeigt, wie häufig Deutschland bereits dicht an einer Katastrophe vorbeischlitterte.

Im schwächsten - und bezeichnenderweise auch kürzesten - Abschnitt geht Ramelsberger auf Lösungsstrategien ein. Sie spricht von "vernünftiger Integration": "Ja zum regulären Islam-Unterricht an den Schulen, Nein zu der landesweiten Kampagne, türkische Mädchen vom Schwimmunterricht fernzuhalten." Davon, die gemäßigten Muslime zu fördern und die radikale Minderheit zu isolieren. Doch woran kann man die einen von den anderen unterscheiden? "Multi-Kultur-Haus", "Islamisches Informationszentrum" - was in Ulm deutsches Harmoniestreben ausnutzte, warum sollte es woanders nicht auch weltoffene Fassade sein? Süffisant schildert Ramelsberger, wie der promovierte Yehia Yousif - äußerlich ein Musterbeispiel an Integration - Bundeswehrsoldaten Einführungskurse in die Friedfertigkeit des Islam gibt, während sich in seiner Garage Informationsmaterial für Terroristen stapelt. Wäre es ihr aufgefallen?

Es gibt in diesem Land viele Lebenslügen. Eine davon lautet, daß wir ein Einwanderungsland sein müssen. Deutschland braucht aber keine Einwanderer, diese brauchen vielmehr Deutschland. Die Probleme bei der Intergration sind teilweise hausgemacht. Wer diese Wahrheit nicht aussprechen will, weil er vermeint, dadurch Unruhe zu stiften, erreicht das genaue Gegenteil. Dann nämlich will er Integration durch eine Lüge erschleichen. Und das kann nur Leid bedeuten.

Annette Ramelsberger: Der deutsche Dschihad. Islamistische Terroristen planen den Anschlag. Econ Verlag, Berlin 2008, broschiert, 223 Seiten, 16,90 Euro

Foto: Auch der König ist bedroht: An Katastrophen vorbeigeschlittert

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