© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Mommsens Nachwuchs
These zum Reichstagsbrand
Felix Krautkrämer

Es war wohl vorauszusehen: Der 75. Jahrestag des Reichstagsbrands hat den Streit um Täter und Hintergründe wieder neu entfacht. Die Protagonisten sowie deren Thesen sind nach wie vor die gleichen und auch die Erbittertheit, mit der die Diskussion geführt wird, hat nichts an ihrer Schärfe eingebüßt.

Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Alleintäterthese des als vermeintlichen Brandstifter verhafteten Holländers Marinus van der Lubbe, wie der Historiker Hans Mommsen und der mittlerweile 95jährige ehemalige Oberregierungsrat Fritz Tobias. Letzterer hatte durch seine Serie im Spiegel 1959/60 erstmals die Theorie des Alleintäters aufgeworfen und verteidigt diese gemeinsam mit Mommsen bis heute verbissen. Unterstützt werden beide dabei von dem Politologen Eckhard Jesse, der sich bereits in den achtziger Jahren publizistisch auf ihre Seite schlug und jüngst in der Welt nochmals für Tobias' These Partei ergriff und etwas sehr verallgemeinernd behauptetet, "die Forschung" sage, van der Lubbe sei es wirklich gewesen.

Ihnen stehen diejenigen entgegen, die in den Nationalsozialisten die Täter hinter dem Brand vermuten. Waren dies in den siebziger Jahren vor allem der Schweizer Historiker Walther Hofer und der als wenig reputabel geltende  angebliche ehemalige KZ-Häftling Edouard Calic, sind heute der linkslastige Historiker Alexander Bahar sowie der Publizist Hersch Fischler die vehementesten Vertreter der NS-Täter-These. In den vergangenen Jahren hatten allerdings, bedingt durch neue Aktenfunde, vor allem letztere zunehmend Auftrieb bekommen.

Nun hat sich Sven Felix Kellerhoff mit einem Buch zum Reichstagsbrand auf die Seite von Mommsen und Tobias geschlagen. Dabei kommt dem leitenden Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte der Welt vor allem seine langjährige Erfahrung als Journalist zugute. Spannend, teilweise im Stil einer Reportage, erzählt Kellerhoff den Verlauf der Brandnacht, die Festnahme van der Lubbes, den Prozeß vor dem Leipziger Reichsgerichtshof sowie die Kommunistenverfolgung als Folge des Reichstagsbrands. Darüber hinaus schildert er die einzelnen Phasen des bis heute dauernden Forschungsstreits um den oder die wirklichen Täter.

Spätestens hier aber wird deutlich, daß es Kellerhoff nicht um die objektive Darstellung der Fakten geht, sondern er dogmatisch die Seite der Alleintäterthese verficht. Während er die von Hofer und Calic begangenen Fälschungen sowie Bahars und Fischlers zum Teil abenteuerliche Verschwörungstheorien zu Recht ausführlich dokumentiert, bleiben die zahlreichen Fehler und Ungereimtheiten, die Tobias und Mommsen unterliefen, nahezu unerwähnt. Argumente, die durchaus Zweifel an der Alleintäterschaft van der Lubbes erlauben, wie beispielsweise brandtechnische Gutachten, wischt der Welt-Redakteur ebenso beiseite wie die Ergebnisse neuerer Aktenfunde. Alles, was der These von Tobias und Mommsen auch nur irgendwie widerspricht, wird pauschal als unwissenschaftlich denunziert.

Mommsens Vorwort, in dem dieser bereits im zweiten Satz feststellt, daß an der "alleinigen Täterschaft" van der Lubbes "nicht gezweifelt werden" könne, sowie die Danksagung des Autors an Fritz Tobias, dessen Energie er "bewundere", vervollständigen dieses Bild.Kellerhoff hat damit weniger "eine seriöse Darstellung der Ereignisse rund um den Reichstagsbrand" vorgelegt, wie er es selbst von sich behauptet, als den altbekannten Streit zwischen zwei Lagern um eine weitere Publikation, nicht aber um neue Fakten bereichert.

Sven Felix Kellerhoff: Der Reichtagsbrand. Die Karriere eines Kriminalfalls. Mit einem Vorwort von Hans Mommsen. Be.bra Verlag, Berlin 2008, broschiert, 160 Seiten, 14,90 Euro

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