© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Die Waffen der Geächteten
Konservative Publizistik: Götz Kubitschek reizt mit seinem Buch "Provokation" die Rolle des Störenfrieds und Spielverderbers aus
Michael Kreuzberg

Kaplaken" nennt man die Sondervergütung, die einem Kapitän für erfolgreiche Lieferung der Fracht ausgezahlt wird. Diesen eher exotischen Titel wählten die Herausgeber des Buchverlages des Instituts für Staatspolitik für eine Serie schmaler Büchlein im handlichen Reclamheft-Format, von denen bereits drei Staffeln mit je drei Bänden erschienen sind. Trotz ihrer bescheidenen, leicht zu übersehenden Aufmachung zählen sie im Bereich der konservativen Literatur wohl zu den derzeit wichtigsten Buchveröffentlichungen, ohne deren Kenntnis sich in Zukunft schwer mitreden lassen wird.

 Da ist zum Beispiel der Band "Provokation" von Götz Kubitschek mit Texten, die zum Teil bereits in der Zeitschrift Sezession und im Internettagebuch des Instituts ( www.staatspolitik.org ) zu lesen waren. Wer Kubitscheks Artikel und Glossen dort aufmerksam verfolgt hat, wird in dem Bändchen quasi ein "Best of" der letzten Jahre entdecken, das jedoch sinnfällig zu einem Ganzen montiert wurde.

Der 1970 geborene Publizist und Verleger umkreist in seinem Büchlein die Frage nach konkreten Lebensentwürfen und faßt die Früchte jahrelanger Auseinandersetzungen und Erfahrungen inner- und außerhalb des "rechten Ghettos" kompakt zu einer Art Manifest oder auch "Waldgänger"-Brevier zusammen, das in Abwandlung eines Worts von Günter Maschke unter dem Motto steht: "Laßt uns, wenn wir uns treffen, nicht harmlos über das Harmlose reden."

Der Text entfaltet sich in vier Abschnitten: "Wir - Der Vorsatz", "Ihr - Das Zögern"; "Ich - Der Anlauf" und "Du - Der Sprung". Er beginnt mit einem Sprung ins kalte Wasser, indem Kubitschek eine Ausgangssituation skizziert, die im Grunde bereits einem verlorenen Posten ähnelt. Wer am Zustand der Nation leidet, muß feststellen, daß die Krise so weit fortgeschritten ist, daß sie kaum mehr als solche wahrgenommen wird: die Fieberschauer des ums Überleben kämpfenden Körpers sind vorbei, die Leichenstarre hat bereits eingesetzt, die allerdings von morphiumartigem Wohlbehagen begleitet ist - nach T. S. Eliot ein Ende "not with a bang / but with a whimper".

Wer sich damit nicht abfinden möchte, steht allein: Weder eine vertretbare Partei noch ein würdiger Staat, noch ein "Volk", das diesen Namen verdienen würde, steht hinter demjenigen, der sich ernsthafte Gedanken um eine "deutsche Zukunft für Deutschland" macht. Wenn Deutschland heute einem kafkaesken Wartesaal voller Verzagter gleicht, die sich nicht entschließen können, die schwelenden Brände zu löschen, die allerorts schon entfacht sind, dann, so Kubitschek, "sollten wir vor einer Umwälzung der politischen Verhältnisse in Deutschland keine Angst haben. Verzweiflung sollte uns nur dann befallen, wenn wir feststellen, daß unser Volk - und das sind in diesem Fall die jungen Männer und Frauen - keine Kraft mehr zu einer Umwälzung hat."

Wer sich entschließt, an dieser Umwälzung selbst mitzuwirken, wird sich allerdings bald in der Position einer machtlosen und lächerlich gemachten Kassandra wiederfinden, eines Eiterkranken inmitten einer persischen Übermacht "bundesrepublikanischer Konsumschweinchen", die zwecks Lahmlegung jeglicher notwendiger Taten die Schwafelzone ins Unermeßliche ausgedehnt haben, deren Ausmaße freilich auch mit der angewachsenen Menge des sprichwörtlichen heißen Breis korrespondieren. Während die Linke die Rolle der Kettenhunde an den Rändern der Zone spielt, fällt heute dem Rechten die klassisch "links" konnotierte Rolle des Störenfrieds, Rebellen und Provokateurs zu. Provokation und Regelverstoß, die Spielverderberei, das Sprengen der Untergangsparty, Mangel an Versöhnung, ein beständiges Ärgernis zu sein, sind die letzten Waffen der Schwachen und Geächteten.

Nichtsdestotrotz weiß Kubitschek aus Erfahrung, daß gerade auf diejenigen "Seelen von Grandezza", die am intensivsten auf Taten, Provokationen und Kriegserklärungen brennen, die höchsten Berge von Frustration und Enttäuschung warten. Die Strategie der Schwafelzone besteht eben darin, daß der Feind kein Gesicht bekommt, der Kampf hinausgezögert wird: "Der Gegner hatte sich wieder nicht gezeigt, und nichts ist zermürbender als die Pose ewiger Bereitschaft für das letzte Gefecht, das es gar nicht auszufechten gibt."

Was bleibt nun dem "gedemütigten Idealisten"? Zynisch oder "alt und albern" zu werden wie die "Apo-Opas" von vorgestern? Mit dem Kopf gegen die Wand knallen, sich selbst und den verhaßten Wartesaal in die Luft sprengen? Der einzig wirklich gangbare, fruchtbare Weg ist für Kubitschek letztlich die Akzeptanz der eigenen Beschränktheit, die "Schule der Demut", in Armin Mohlers Worten: "Ein Rechter wird man durch eine Art von 'zweiter Geburt'. Man hat sie durchlebt, wenn man sich der Einsicht öffnet, daß kein Mensch je die Wirklichkeit als Ganzes zu verstehen, zu erfassen und zu beherrschen vermag. Diese Einsicht stimmt manchen melancholisch, vielen eröffnet sie aber eine wunderbare Welt."

Wer erst einmal akzeptiert hat, daß "die Lage immer legal" ist (Heimito von Doderer), der mag diesen Angelpunkt finden, "den fussbreit festen grund worauf ich stehe" (Stefan George), den einzigen Boden, den einem trotz allen Geredes niemand wegnehmen kann, den Ort, an dem man immer etwas tun kann. Den Sumpf, in dem man watet, als solchen zu erkennen, ist der erste Schritt zu seiner partiellen Trockenlegung, zur Gestaltung einer "Widerstands­insel". Nur wo das Chaos akzeptiert wird, ist die gezielte Formgebung möglich, und auch das eigene Ich, die eigene Freiheit sind Fragen der Formgebung, der "inspirierten Willensverdichtung". Der Weg ist frei, die eigene Identität mit dem mobilisierenden Geist aufzuladen, der der eigenen Natur gemäß ist, ungeachtet der vom Mainstream-Maelstrom diktierten Vorgaben. Die Ohnmacht vor dem übermächtigen Ganzen weicht der persönlichen Macht, dort zu handeln, wo man die Dinge und Menschen im buchstäblichen Sinne berühren kann.

In diesem Sinne setzt Kubitschek auf die "Vereinzelten", die sich mit selbstgeschliffenen Macheten in den Urwald begeben. Nur wer bei sich selbst beginnt, kann sich vielleicht auch, frei nach einem Jünger-Wort, erfolgreich "um Deutschland bemühen".

"Provokation" ist eine mitreißende, dichte, in alle Ritzen eindringende Schrift voller Begriffsgeschosse in Mohlerscher Tradition, eine Schrift, die etwas leistet, das heute der rechten Publizistik nur mehr selten gelingt: ein Beispiel zu geben, Mut, Hoffnung und Inspiration zu wecken, Wege aufzuzeigen, Waffen zu schmieden.

Götz Kubitschek: Provokation. Vier Texte. Edition Antaios, Schnellroda 2007, kartoniert, 80 Seiten, 8 Euro

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