© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Regisseur Marcus H. Rosenmüller: Die Galionsfi gur des bayerischen Films
Die Macht der Mundart
Thor Kunkel

Watt mutt, datt mutt, dieses alte, norddeutsche Sprichwort findet sich neuerdings landesweit - zum Werbespruch umgemünzt - auf Plakaten der "Seenotretter". Der Gebrauch von Provinzidiomen in der Kommunikation ist schon eine ganze Zeitlang en vogue. Man denke nur an die erfolgreiche Fernsehwerbung des Landes Baden-Württemberg. "Wir können alles. Außer Hochdeutsch." Vielleicht ist es die Wiederentdeckung der Deutschen als eigene Ethnie, eine Art spätes Bekenntnis zu den verschüttgegangenen Wurzeln.

Nach Jahrzehnten der Angelsächselei gilt die regionale Mundart in Film und Musik plötzlich nicht länger als verpönt. Vorreiter dieses Trends war und ist der 1973 geborene Regisseur Marcus H. Rosenmüller, der mit seinem Debütfilm "Wer früher stirbt, ist länger tot" den bairischen Dialekt mit einem Schlag kinotauglich und zum Bestandteil der Jugendkultur machte. Das ist erstaunlich, denn Bairisch, ob laut oder leise gesprochen, wird ja noch immer in manchen Teilen des Landes als versuchte Körperverletzung geahndet. Rosenmüllers Filme scheinen gegen diesen Vorwurf gefeit. Mit Zuschauerzahlen bis zu 1,7 Millionen gehört er zu den erfolgreichsten Regisseuren der jüngeren Generation. "Schwere Jungs", "Beste Gegend", niemand versteht es so gut, Klamauk und Tiefsinn zu einer leicht verdaulichen Kost zu verquicken. Seitdem gilt Rosenmüller zumindest bis zum Weißwurstäquator als Publikumsliebling und Galionsfigur des bayrischen Films.

Mit seiner Neuverfilmung der Geschichte vom Räuber Kneißl, die im November 2007 komplett in Mundart abgedreht wurde (Ausstrahlung ist noch offen), kündigt sich ein neuer Meilenstein an, denn der Kneißl ist den Bajuwaren das, was den Hessen ihr Schinderhannes ist - ein unbeugsames Mannsbild, das sich den faulen Spielregeln der Obrigkeit widersetzte. Im Unterschied zu früher stellt sich Rosenmüller hier einem fast tragischen Stoff: Die Geschichte um Flucht und Verrat ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle, eine Mischung aus Räuberpistole und Romanze, die das Leben so schrieb. Der 1902 auf der Guillotine hingerichtete bayrische Desperato Mathias Kneißl galt den Freistaatlern schon zu Lebzeiten als ein Volksheld. Selbst Prinzregent Luitpold zeigte an der Verfolgung des eher schmächtigen Mordbrenners rege Anteilname, obwohl er sich zu einer Begnadigung nicht hinreißen ließ. Kneißls Traum, mit seiner Verlobten nach Amerika auszuwandern, endete unter dem Fallbeil.

Die Besetzung des Kneißl durch den als Tatort-Kommissar bekannten Maximilian Brückner ist mit Sicherheit eine glückliche Wahl, die ätherische Maria Furtwängler als diebische Mutter Kneißl dagegen ein Experiment der Regie. Ob sie die ideale Verkörperung der italienischen Frau eines Wilderers ist? Die echte Mutter Kneißl war eine hartgesottene, um nicht zu sagen vulgäre Person, die das Regiment im Haus recht rauhbeinig führte. Mit Michael Fitz, Sigi Zimmerschied, Andreas Giebel, Brigitte Hobmeier oder Tilo Prückner scheint Brückner aber ein starkes Ensemble im Rücken zu haben.

Kneißls Lebensgeschichte wurde schon einige Male verfilmt, unter anderem von Reinhard Hauff ("Die Verrohung des Franz Blum"). Ein Erfolg war es nicht, das Prädikat Neuer Deutscher Heimatfilm schreckte damals das Publikum ab.

Wem Dialektfilme auch heute noch suspekt sind, wer in ihnen sogar etwas wie eine geistige Landesverteidigung vermutet, der darf nicht verschweigen, daß auch in anderen Teilen Europas Künstler mit sprachlichem Lokalkolorit spielen. Einer der erfolgreichsten Romane der jüngeren britischen Literatur, "Trainspotting" von Irvine Welsh, wurde nicht nur in einem recht seltenen schottischen Dialekt geschrieben, sondern ungefiltert verfilmt.

Man glaubt Rosenmüller übrigens gerne, daß er sich das Dialektmäntelchen nicht aus patriotischen Gründen umgehängt hat. "Dialekt kann dazu beitragen, daß ein Film authentischer wirkt", verriet er kürzlich der Süddeutschen Zeitung. Das klingt maßvoll und plausibel, denn ein echter bayrischer Räuber redet nun mal so wie ihm der Schnabel gewachsen ist und nicht hochdeutsch. Zu dieser Eigenart bekennt sich wahrscheinlich auch der junge Regisseur.

"We're from Bavaria. It's near Germany", läßt der seinen Hauptdarsteller in "Schwere Jungs" naßforsch verkünden. Da kann man nur hoffen, daß das Selbstverständnis der Bayern diesen Sommer auf Deutschland abfärben wird.

Foto: Rosenmüllers (l., rechts im Bild) neuestes Werk "Räuber Kneißl": Räuber Mathias Kneißl (Maximilian Brückner, r.) mit Kumpanen

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