© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Schuld und späte Sühne
Neu auf DVD: "Der Verlorene" von Peter Lorre
Werner Olles

Es war Peter Lorres erster Film nach seiner Rückkehr aus dem Exil in den USA, und er wurde - man mag es kaum verstehen, wenn man ihn heute sieht - an den Kinokassen ein ziemlicher Reinfall: "Der Verlorene".

Lorre forderte dem deutschen Nachkriegspublikum, dem noch das Grauen der Bombennächte und die Tragödie der Vertreibung im Nacken saßen, damals wohl etwas zuviel ab, als er 1951 seinen Film zur Diskussion stellte. Ausgehend von einem pathologischen Kriminalfall, wollte Lorre die deutsche Mentalität analysieren, wie sie sich gleich nach dem Krieg offenbarte, und zugleich zeigen, daß es schlimmer ist, einen Mord zu tolerieren, als ihn zu begehen.

Aber 1951 mußte die Geschichte um Dr. Karl Rothe (Peter Lorre), der wegen kriegswichtiger Forschungsarbeiten von der Gestapo daran gehindert wird, den Totschlag an seiner Braut zu sühnen, den er im Affekt beging, als er erkannte, daß sie ihn mit seinem Assistenten, einem Gestapospitzel hinterging und ihn ausspionierte, wohl verkannt bleiben. Zu düster waren die Bilder und zu düster gewiß auch die Vorstellung, schuldig zu werden und nicht dafür büßen zu dürfen, weil die Machthaber es nicht zulassen. So leidet Lorres Arzt zunehmend unter schrecklichen Wahnvorstellungen und wird dadurch zum triebhaften Mörder, der erst nach Kriegsende seine Schuld begleichen kann: Er erschießt seinen ehemaligen Assistenten Hösch (Karl John) und begeht Selbstmord.

"Der Verlorene" ist ein Film, der ungeachtet einiger Schwächen in der Verzahnung der Geschichte und der psychopathologischen Zeichnung atmosphärisch sehr dicht und quälend eindringlich gestaltet ist. Unvergeßlich bleibt die Szene im nächtlichen Zugabteil, wenn Lorre seinem Opfer, einer jungen Frau, gegenübersitzt und seine unheimlichen Augen seine innere Zerrissenheit aber auch die entsetzliche Tat zu spiegeln scheinen, die er gleich verüben wird. Mit Eva-Ingeborg Scholz, Renate Mannhardt und Johanna Hofer auch in den weiblichen Rollen hervorragend besetzt und von Kameramann Václav Vich in Schwarzweiß-Bildern fotografiert, ist der Film ein Drama um menschliche Schuld und um Verzweiflung und Verantwortung. Damals ein Flop, gilt er heute zu Recht als Meisterwerk.

Als Extras enthält die Doppel-DVD reichhaltiges Material des Filminstituts zu Peter Lorres Gesamtwerk.

DVD: "Der Verlorene", Arthaus/Kinowelt, Leipzig 2007, Laufzeit: 93 Minuten

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