© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Alternativen zu embryonalen Stammzellen
Forschungspolitik: Wissenschaftler erzielen Erfolge mit adulten Zellen / Bundestag entscheidet nach Ostern über Gesetzesänderung
Martina Kempf

Nach der Osterpause will der Deutsche Bundestag entscheiden, ob jüngere embryonale Stammzellen zur Forschung nach Deutschland eingeführt werden dürfen (JF 9/08). Damit verbindet sich die Hoffnung, menschliche Krankheiten zu heilen. Viele Abgeordnete haben aber ethische Bedenken, da dabei die menschlichen Embryonen getötet werden, die bei künstlicher Befruchtung überzählig geworden sind. Außerdem stellt sich das Problem, daß aus embryonalen Stammzellen gezüchtetes Gewebe nach der Transplantation zu Krebs entarten kann.

Ein solches Problem taucht hingegen bei der sehr erfolgreichen adulten Stammzellforschung nicht auf. Wegen der Krebsneigung der embryonalen Zellen außerhalb des Embryos hat es weltweit in den vergangenen neun Jahren, seit mit menschlichen embryonalen Stammzellen im Labor gearbeitet wird, keine einzige klinische Studie gegeben, in der menschliche embryonale Stammzell-Linien zum Einsatz gekommen wären.

An Mäusen wollten Forscher des Kölner Max-Planck-Institutes für Neurologische Forschung untersuchen, ob sich Nervenzellen nach einem Schlaganfall ersetzen ließen, indem sie den Mäusen gezüchtetes Gewebe aus embryonalen Mäusestammzellen einspritzten. Anschließend wurden in 75 bis 100 Prozent der Fälle Tumore nachgewiesen.

Auch die Versuche anderer Studien, aus Embryo-Stammzellen gezüchtetes Nervengewebe in die Hirne von Parkinson-Mäusen zu transplantieren, scheiterten, weil jede fünfte Maus dabei starb. Eine weitere Studie hatte eine Therapie von Diabetes-Typ-I-Mäusen mit Insulin produzierenden Zellen aus Mäuse-Embryo-Stammzellen zum Gegenstand. Ein kurzfristiger therapeutischer Erfolg wurde durch das Entstehen von Mischgeschwülsten bei 60 Prozent der Versuchstiere wieder zunichte
gemacht.

Bereits ein Anteil von fünf undifferenzierten embryonalen Stammzellen in 100.000 transplantierten Zellen genügt, um bei einer homologen Transplantation im Zielgewebe des Empfängers Tumore auszubilden. Daher zeigt sich, daß die Neigung embryonaler Stammzellen, außerhalb des Embryos Tumore auszubilden, derart gravierend ist, daß eine Entwicklung von Therapien für die Heilung menschlicher Krankheiten wenig vielversprechend ist.

Forschungen an den eigenen Zellen von Erwachsenen, sogenannten adulten Stammzellen (von englisch adult für erwachsen), haben hingegen bereits zahlreichen Menschen geholfen. Auf diesem Feld gehört Deutschland zur Weltspitze, die durch ein neues von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) aufgelegtes Förderprogramm noch weiter ausgebaut werden soll. Besonders weit sind deutsche Forscher bei der Therapie von Herzkrankheiten. So meldeten im Oktober 2006 Forscher der I. Medizinischen Universitätsklinik Mannheim Durchbrüche bei der Behandlung von Herzinfarkten mit adulten Stammzellen. Für eine Studie wurden bei 200 Patienten körpereigene Stammzellen aus dem Knochenmark gewonnen. Nach einigen Tagen konnten ihnen die im Labor aufbereiteten Zellen über einen Herzkatheter verabreicht werden. Ihre Herzleistung steigerte sich durchschnittlich um 5,5 Prozent, wobei am meisten diejenigen Patienten von dem neuen Verfahren profitierten, welche einen besonders schweren Infarkt erlitten hatten. Weltweit wurden rund 2.000 Patienten nach diesem Verfahren therapiert, auch bei schwerer Herzinsuffizienz.

Anders als die menschlichen Stammzellen in der Embryonalentwicklung arbeiten adulte, also körpereigene Stammzellen, schon immer als "Reparaturtruppen" im Körper, was jeder von kleinen Hautabschürfungen kennt: Dabei wandern adulte Stammzellen aus nahe gelegenen "Depots" in die betreffende Region, wo sie die Funktion der zerstörten Zellen übernehmen. Adulte Stammzellen werden seit vier Jahrzehnten erfolgreich bei der Therapie von Leukämie, Anämien und Immundefekten eingesetzt.

Im Jahr 2005 bekamen allein in Deutschland 2.600 Patienten eigene Stammzellen transplantiert, 1.800 Patienten erhielten Stammzellen von einem fremden Spender.

Die Universität Sao Paulo konnte im Jahr 2007 Erfolge bei der Behandlung von jungen Diabetikern verbuchen, welche mit körpereigenen Stammzellen aus deren Rückenmark behandelt worden waren und die so zeitweise auf Insulinspritzen verzichten konnten.  Professor Simon Philipp Hoerstrup züchtet am Zentrum für Klinische Forschung der Universität Zürich Herzklappen aus adulten Stammzellen, die aus dem eigenen Knochenmark gewonnen werden. Sein erster Erfolg war die Einpflanzung einer Herzklappe in ein mit Herzfehler neugeborenes Kind. Die Klappe war bereits während der Schwangerschaft aus entnommenen Stammzellen des Fruchtwassers gebildet worden.

Im Frühjahr 2007 setzten Forscher der Universität Düsseldorf erstmals adulte Stammzellen bei der Behandlung von Leberkrebs erfolgreich ein. In Innsbruck behandelt der Urologe Hannes Strasser Inkontinenz mit adulten Stammzellen. Von seinen 270 Patienten konnten 93 Prozent der Frauen und 73 Prozent der Männer geheilt werden, indem ihnen aufbereitete Stammzellen aus ihrem Armmuskelgewebe in den Schließmuskel und das Bindegewebe der Harnröhre appliziert wurden. Schließlich verspricht auch die ethisch unbedenkliche Forschung an Nabelschnurblut Erfolge: Professor Colin McGuckin von der Universität Newcastle gelang es, hieraus eine Mini-Leber zu züchten, welche bereits für Arzneimitteltests geeignet ist.

Weitere Informationen zum Thema unter www.deine-stammzellen-heilen.de

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