© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Sachsen sucht den Superschatz
Rohstoffe: Dank steigender Weltmarktpreise herrscht im Erzgebirge Goldgräberstimmung / Bernsteinzimmer lockt als Zugabe
Paul Leonhard

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) registriert die weltweit steigende Rohstoffnachfrage mit großer Aufmerksamkeit. Denn seit Zinn, Kupfer, Wolfram und andere Metalle auf dem Weltmarkt nie geahnte Preise erzielen, werden auch die sächsischen Erzvorkommen wirtschaftlich immer interessanter.

Im Freiberger Bergarchiv herrscht daher geradezu Goldgräberstimmung: Alte Daten werden neu ausgewertet und aktuelle Lagerstättensteckbriefe erstellt. Denn daß im Erzgebirge und in der Lausitz ein Milliardenvermögen verborgen liegt, war schon zu DDR-Zeiten bekannt. Beispielsweise die enormen Kupfervorkommen im sächsisch-brandenburgischen Grenzgebiet bei Spremberg.

Allerdings stoppte man damals die Erschließungsarbeiten, als sich herausstellte, daß die Ausbeutung des 800 bis 1500 Meter in der Tiefe liegenden Schatzes Vorinvestitionen von rund fünf Milliarden DDR-Mark erfordert hätte. Auch heute sind die Kosten für die Investition riesig. Die bis Frühjahr 2007 fast vergessene Erzader in der Lausitz ist 14 Kilometer lang und drei Kilometer breit. Experten gehen davon aus, daß hier mindestens 1,5 Millionen Tonnen reines Kupfer mit einem Marktwert von mehr als acht Milliarden Euro sowie mehr als 160.000 Tonnen Blei, über 80.000 Tonnen Zink und mehrere Tausend Tonnen Silber liegen.

Bei einem derzeitigen Weltmarktpreis für Kupfer von 6.500 Euro bliebe trotz der hohen Investitionen ein Gewinn von mehreren Milliarden Euro. Und zehn Prozent davon stehen dem seit der Bankenkrise (JF 52/07) klammen Freistaat zu. Auch im Erzgebirge werden Zinn, Zink, Kupfer, Kadmium, Flußspat, Silber, Wolfram und Indium wieder interessant. Alle diese Metalle gibt es in der im Landkreis Aue gelegenen Lagerstätte Pöhla-Globenstein. Das Wolfram-Vorkommen wird auf mindestens 50.000 Tonnen geschätzt. Die hier liegenden 950 Tonnen des silbergrauen Indiums - benötigt wird es für die Elektronik-Industrie - haben derzeit einen Weltmarktwert von 600.000 Dollar die Tonne und sind damit fast doppelt so teuer wie Silber. In Gottesberg wurden 830 Kilogramm Gold, vor allem aber Zinn, Kupfer und Wismut entdeckt. Bei Delitzsch liegen im Boden Molybdän, Wolfram, Uran und Niob.

Wer die Bodenschätze bergen will, muß alle Metalle verwerten können. Anders rechnet sich der Aufwand nicht. "Im Bergbau braucht man einen langen Atem und Kompetenz, das ist nichts für Hasardeure", sagt Wolfgang Schilka, letzter Bergwerksdirektor des nach der Wende aufgelösten Unternehmens Zinnerz Altenberg und heute Produktionschef der vor allem im Osterzgebirge Marmor abbauenden Firma Geomin. Schilkas Erfahrungen nutzt auch die kanadische Tinco Exploration Inc., die vom Sächsischen Oberbergamt in Freiberg die Genehmigung erhalten hat, in einem 68 Quadratkilometer großen Gebiet rund um Altenberg nach Erz zu bohren. Mehr als hundert Vorkommen sind im Berggrundbuch des Amtes verzeichnet, von denen mindestens zehn von wirtschaftlichem Interesse sind. Acht Lizenzen für die Erkundung von Lagerstätten hat das Oberbergamt schon erteilt.

Weitere Anfragen liegen vor. Beispielsweise will die Chemnitzer Wisutec GmbH, eine Tochter der Wismut, die Wolfram-Lagerstätte Pöhla-Globenstein erkunden. In der Lausitz laufen seit Sommer die ersten Erkundungsarbeiten für die Hauptlagerstätte bei Spremberg. Die Lizenz dafür hat die panamesische Minera SA erhalten, eine Tochter der Schweizer Glencore International AG. Rund 30 Millionen Euro will das Unternehmen in die Erkundung investieren. Auf der polnischen Seite der Erzlagerstätte wird der Kupferschiefer bereits abgebaut.

Interesse an den Lausitzer Abbaurechten haben auch die polnische Firma KGHM  Cuprum und die zum britisch-südafrikanischen Minenkonzern Anglo American Group gehörende Grauwacke GmbH aus dem sächsischen Lieske angemeldet.

Allerdings wird es einige Jahre dauern, bis sich herausgestellt hat, ob der Erzabbau technologisch möglich ist und die Lagerstätten tatsächlich so umfangreich sind, daß sich ein Abbau rechnet. Auch dann wird der Weltmarktpreis entscheidend sein und die politische Stabilität in Südamerika und Afrika mit ihren immensen Lagerstätten. Ein anderer im Erzgebirge vermuteter Schatz ist dann vielleicht schon gehoben: das seit Ende des Zweiten Weltkrieges verschwundene, legendäre Bernsteinzimmer.

In der vergangenen Woche hat der Bürgermeister von Deutschneudorf und FDP-Bundestagsabgeordnete, Heinz-Peter Haustein, in einem alten Schacht hinter dem Bahnhof des Ortes gegraben, nachdem Schatzsucher Christian Hanisch in 20 Metern Tiefe bisher unbekannte Hohlräume und in ihnen Kisten und Edelmetalle geortet hatte. Seit Jahren vermutet der umtriebige Bürgermeister, daß kurz vor Kriegsende Schätze in den Berggewölben des auf dem Kamm des Erzgebirges gelegenen sächsisch-böhmischen Grenzortes versteckt wurden. Am vergangenen Freitag wurde die Suche allerdings vorerst ergebnislos abgebrochen.

Foto: Bürgermeister Heinz-Peter Haustein (r.), Schatzsucher Christian Hanisch: Probebohrungen

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