© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/08 29. Februar 2008

Keine einzige Tat aufgeklärt
Putin und die Menschenrechte
Christian Dorn

Der Ort, wo kurz vor Rußlands Präsidentenwahl über die politischen Gefangenen und die Menschenrechte der "gelenkten Demokratie" Wladimir Putins diskutiert wird, bildet mit seiner Historie einen Resonanzgrund, der so in Deutschland kein zweites Mal zu finden ist: die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Hier hatte der NKWD nach 1945 ein sowjetisches Internierungslager und später das zentrale sowjetische Untersuchungsgefängnis in Berlin eingerichtet. In der Folge kamen laut Zeitzeugenberichten bis zu 3.000 Häftlinge zu Tode oder wurden in Moskau ermordet. Hernach hatte das Ministerium für Staatssicherheit das Areal übernommen und bis 1989 seine zentrale Untersuchungshaftanstalt betrieben.

Die geschichtliche Kontinuität sowjetischer Haftbedingungen wird in den Worten des Gedenkstättendirektors Hubertus Knabe deutlich. Denn Rechtsanwältin Jelena Lipster, die aus Moskau angereiste Verteidigerin des verurteilten Yukos-Managers Platon Lebedev, berichtet von Mißhandlungen, wie sie einst auch in Hohenschönhausen praktiziert wurden. Hier hatte der NKWD einen unterirdischen Zellentrakt errichten lassen, das sogenannte "U-Boot" - feuchtkalte, fensterlose Kammern, in denen die Gefangenen zu Geständnissen gezwungen wurden. Heute, so Lipster, bezeichneten russische Strafbehörden entsprechende Folterungen als "prophylaktische Maßnahme", durch welche die Inhaftierten eingeschüchtert werden sollen. Beispielhaft erwähnte sie einen Patienten, der nach einer solchen "Behandlung" nicht mehr laufen könne. Angesichts dessen erscheint die jüngst geäußerte Bemerkung Putins nur zynisch, er habe die letzten acht Jahre wie ein Sklave auf der Galeere geschuftet.

Das Ergebnis dieser "lupenreinen" Schufterei ist bekannt und bildet den Rahmen der Diskussionsrunde: die Gleichschaltung der Regionen, die Einschüchterung der Opposition, die Reglementierung der Medien und Nichtregierungsorganisationen oder die Verfolgung und Ermordung von Kreml-Kritikern. So wurden in der Ära Putin 15 Journalisten ermordet, keine einzige dieser Taten wurde aufgeklärt. 2007 seien gar fünf Banker liquidiert worden. Von einem "stabilen System Putin" könne deshalb nicht die Rede sein, so Marieluise Beck (Grüne). Daß die Duma-Wahl nach Maßstäben der OECD weder fair noch frei gewesen ist, wie Beck betont, wundert den Menschenrechtsbeauftragen der Bundesregierung Günther Nooke wenig, schließlich machen wir den "Fehler, zu schnell von Demokratien zu reden, nur weil ein paar Wahlen stattgefunden haben".

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