© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/08 29. Februar 2008

Elend des Steuerstaats
Für eine Vereinfachung der Angaben und die Transparenz der Geldflüsse
Bernd-Thomas Ramb

Natürlich ist es ein Kapitalverbrechen, Steuern in einem derartigen Ausmaß zu hinterziehen, wie es der vormalige Chef der Deutschen Post AG versucht hat. Verständlicherweise ist die Verstrickung des Vorstandvorsitzenden eines der größten deutschen Unternehmen in einen solchen Skandal spektakulär und ein gefundenes Fressen für die Medien. Wer aber meint, mit diesem Fall eine Attacke gegen den Kapitalismus, die Marktwirtschaft und generell gegen "die da oben" reiten zu müssen, und dabei - wie so mancher wahlkampfnervöse Spitzenpolitiker - keine Schimpfkanonade übelster Sorte scheut, greift am Problem vorbei.

Der Fall Zumwinkel stellt keine typische Verhaltensweise von Spitzenmanagern oder gar Unternehmern dar. Er bleibt, selbst wenn er hundertfach bestünde, ein Ausnahmefall im Heer der rechtschaffenen Steuern zahlenden Einkommensmillionäre.

Neben dem Verbot der unzutreffenden Generalisierung des Personenkreises steht das Gebot, die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Steuerhinterziehung ist ein weitverbreitetes Delikt. Nicht nur die großen, auch die kleinen Steuerzahler versuchen, mit nicht immer legalen Mitteln ihre Steuerlast zu verringern. Das betrifft nicht nur die relativ wenigen Einkommensteuerzahler (90 Prozent der Einkommensteuer wird von 50 Prozent der Steuerpflichti-gen finanziert), sondern auch das Heer der Schwarzarbeiter, unter denen vielfach Sozialhilfeempfänger vorzufinden sind, die von Lohn- und Einkommensteuer befreit keine Chancen auf Einkommensteuer-, wohl aber auf Mehrwertsteuerbetrug wahrnehmen können.

Die Tatsache, daß Steuerbetrug in allen sozialen Kreisen vorzufinden ist, macht daraus noch kein Kavaliersdelikt. Betrug ist Betrug und hier zudem eine schallende Ohrfeige für die "dummen" ehrlichen Steuerzahler. Dahinter mag die persönliche Empfindung einer zu hohen und damit als "ungerecht" angesehenen Steuerbelastung stehen, doch der private Zweck kann natürlich nicht den Bruch des staatlichen Rechts heilen. Für die öffentliche Hand scheint diese Maxime allerdings weniger zu gelten. Im Gebaren der Finanzverwaltung sind durchaus Bestrebungen erkennbar, "Dummheiten" bei der Maximierung der Steuereinnahmen zu vermeiden, die durch eine ehrliche Beachtung der Steuergerechtigkeit entstehen.

So wird das Gebot der jährlichen Steuerprüfung von Einkommensmillionären auf Stichproben reduziert, die alle acht bis neun Jahre stattfinden. Ebenso sind angebliche Anordnungen der Finanzverwaltung glaubhaft, Verstöße von Hochsteuerzahlern gegen die Steuergesetze nachsichtig zu behandeln. Man will einen guten Zahler nicht vergraulen und sogar ins Ausland vertreiben. Selbst die mögliche Abwanderung in ein benachbartes Bundesland wirkt bedrohlich.

So besteht vermutlich ein direkter Zusammenhang zwischen den vergleichsweise höheren Steuereinnahmen einiger Bundesländer und der Laschheit ihrer Steuerprüfung. Einleuchtend: Wenn das Finanzamt zu sehr ärgert, wechselt der Hochsteuerzahler erst einmal das Bundesland. Also heißt die finanzpolitische Devise: "Gnade vor Recht", genauer: "Steueraufkommensmaximierung vor Steuergerechtigkeit". Steuerbetrug ist damit auch bei der Finanzverwaltung gegeben.

Einige Politiker und Staatsrechtler wie Friedrich Merz oder Paul Kirchhof verlangen, nicht zuletzt auch um die bestehenden Betrugsmöglichkeiten einzuschränken, eine strikte Vereinfachung der Steuererklärung. Entscheidend ist dabei jedoch weniger die Einfachheit der Angaben, sondern die Transparenz der Geldflüsse. Im Prinzip müßten die Finanzbehörden einen lückenlosen Zugriff auf alle Bankdaten erhalten. Das hat die Regierung auch erkannt und im Zuge der Liechtensteiner Steueraffäre eine weitere nationale wie internationale Aufweichung des Bankgeheimnisses gefordert.

Vollständig verhindern lassen sich die Steuerbetrugsversuche auch dann nicht, wenn dieses Ziel tatsächlich erreicht würde. Letztlich müßte das Bargeld abgeschafft werden, um illegale Transaktionen zu verhindern. Doch selbst dann werden findige Steuerbetrüger noch Lücken finden.

Es bleibt fraglich, ob der Steuerstaat wirklich an einer konsequenten Steuerbetrugsbekämpfung Interesse hat. Diese macht nur Sinn, wenn der Staat die Steuergerechtigkeit zum obersten Ziel erklärt. Der real existierende Staat will jedoch die maximale Steuereinnahme erzielen. Da ist die hundertprozentig erfolgreiche Steuerbetrugsbekämpfung nur hinderlich. Weniger Steuerehrlichkeit - beim Steuerzahler wie beim Steuereintreiber - erhöhte die Gesamtausbeute.

Die Gier des Staates nach Steuereinnahmen gründet in der Sucht, die Grenzen der Verteilung staatlicher Wohlfahrt immer weiter auszudehnen. Die Bekämpfung der Steueroase Liechtenstein mag zwar kurzfristig die darbenden Kassen zusätzlich füllen, nichtsdestotrotz werden langfristig die Steuerfluchtreflexe aus der staatlichen Umverteilungswüste an Heftigkeit zunehmen.

Der unersättlichen Begierde des Staates nach Steuereinnahmen steht die zunehmende Staatsentfremdung der Steuerzahler gegenüber, die immer mehr bezweifeln, daß die extensive Umverteilung eine dauerhaft staatstragende Ordnung bietet.

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