© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

Steuerhinterzieher
Die große Entrüstung
Klaus Peter Krause

Die einen sind entrüstet, die anderen geben sich entrüstet. Und moralisieren. Und spielen sich selbstgerecht auf - als die Gesetzestreuen, als die Guten, als die Menschen ohne Fehl und Tadel. Wer weiß, wer von ihnen vielleicht im Glashaus sitzt und trotzdem diese Steine wirft; auch ein Klaus Zumwinkel hat sich bislang als der Saubermann-Manager dargestellt. Klar, Steuerhinterziehung, zumal im großen Maßstab, ist gesetzeswidrig und verwerflich. Gewiß, es ist ein Skandal, was jetzt mit der Razzia gegen den bisherigen Post-Vorstandschef wohl ans Licht kommt und Wellen über Wellen der Empörung schlägt. Und ein noch größerer Skandal ist, daß Zumwinkel wohl bei weitem kein Einzelfall ist, sondern nur die Spitze des Eisbergs von jener CD mit Hunderten weiterer Namen.

Aber es ist auch ein (wenngleich minderer) Skandal, daß die Fahnder, noch bevor sie losschlugen, das Fernsehen bestellten. Das ist mehr noch als der mittelalterliche Pranger. An ihn nämlich wurde gestellt, wer verurteilt war. Zumwinkel dagegen ist noch nicht verurteilt, noch ist sein Steuervergehen nicht erwiesen. Gleichwohl ist sein Sturz vom hohen Sockel eines Unternehmensfürsten schon jetzt sehr tief und eine Bestrafung im voraus, für die sich öffentliches Mitleid nicht regen mag.

Viele sagen jetzt viel. Aber auf den Standort Deutschland wirkt sich nicht Zumwinkels vermutete Steuerhinterziehung aus, wie BDI-Präsident Thumann tönt, sondern deutsche Politik im allgemeinen und deutsche Steuerpolitik im besonderen. Nicht mancher Steuerflüchtling zerstört mutwillig das Renommee der Marktwirtschaft, wie Bundeswirtschaftsminister Glos meint, sondern dieser Staat selbst tut es. Ausländische Unternehmen meiden Deutschland nicht deswegen, weil sie als Steuersünder verfolgt werden können, und deutsche Unternehmen hauen nicht bloß deshalb ins Ausland ab, weil sie dort einer vielleicht geringeren Steuerlast unterliegen, sondern weil der Standort Deutschland zu kostenträchtig, zu bürokratisch, zu unbeständig in Wirtschafts- und Steuerpolitik ist und die Politik hier nach links abrutscht, daher nicht mehr genug Sicherheit bietet.

Der linke Grünen-Politiker Jürgen Trittin zieht gleich gegen alle übrigen Steueroasen zu Felde. Besser wäre es, er würde sich für eine einfachere und gerechtere Besteuerung einsetzen, wie sie mit den Namen Merz oder Kirchhof verbunden ist, damit die Oasen ihre Attraktivität verlieren und austrocknen. Mit alldem wird zugleich das Süppchen für die anstehende Bürgerschaftswahl in Hamburg gekocht. Aber CDU-Generalsekretär Profalla hat schon recht, daß es der Marktwirtschaft schade, wenn in den Vorstandsetagen Maß und Mitte verlorengehe. Und verheerend ist so ein Steuerskandal in unzulässiger Verallgemeinerung auch für das Ansehen von Menschen an der Spitze von Unternehmen, die viel, viel Geld verdienen, die deshalb dem öffentlichen Rampenlicht besonders ausgesetzt sind und daher besonders darauf zu achten haben, Vorbild nicht nur zu spielen, sondern auch zu sein.

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