© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Angriffsbereit
Politische Zeichenlehre XLII: Der Panther
Karlheinz Weissmann

Der Vorgang erregt kaum Aufsehen, obwohl eine Partei in Abwicklung begriffen ist. Die Grauen Panther haben beschlossen, sich aufzulösen, wegen akuter Finanznot - und anhaltender politischer Erfolglosigkeit möchte man hinzufügen. Denn der Versuch, eine eigene "Altenpartei" zu gründen, ist gescheitert, was wohl nicht nur mit dem Führungspersonal zusammenhängt, sondern auch mit dem Problem, der angesprochenen Gruppe "Klassenbewußtsein" einzuflößen.

Mit den Grauen Panthern wird auch ihr Emblem verschwinden, ein über einen Bogen hinwegschleichender Panther. Die Raubkatze gehört nach verbreitetem Verständnis zu einer eigenen Gattung, obwohl es sich im Grunde um einen Leoparden mit schwarz durchgefärbtem Fell handelt. Die Bezeichnung leitet sich ursprünglich von "Pan Thier" ab, also: Tier des griechischen Hirtengottes Pan, was die phantasievollen Darstellungen im Mittelalter erklärt, die ein - gelegentlich feuerspeiendes - gehörntes Ungeheuer zeigten.

Die Identifikation mit der Raubkatze war späteren Datums, und häufig wurde auch der Leopard selbst als Panther bezeichnet. Das erklärt, warum von "Pantherfellen" die Rede ist, wenn es um bestimmte Formen der traditionellen Uniformierung in Husarenregimentern geht. So wie diese Waffengattung der leichten Kavallerie ihren Ursprung in ähnlichen Einheiten der türkischen Armee hatte, so übernahm man von dort auch - vor allem aus dem Bereich der Elitekrieger, der delis (übersetzt soviel wie "Tollköpfe" oder "Wagehälse") -, ein Leopardenfell über den Rücken geworfen zu tragen.

Entsprechende Bräuche waren unter Kriegern seit der Antike verbreitet und erklären sich ohne Zweifel aus dem magischen Wunsch, die Fähigkeiten des Tiers auf sich zu ziehen. Jedenfalls gibt es ein zeitgenössisches Gemälde des preußischen Husarengenerals Hans Joachim von Ziethen, das ihn mit solchem Schmuck zeigt, und bis zum Untergang der Monarchie trug die nur aus Offizieren bestehende Leibwache des ungarischen Königs ein Leopardenfell über dem leuchtendroten Waffenrock.

Das Emblem der Grauen Panther hat mit dieser Tradition sicher nichts zu tun, sondern stellt ein (ironisches?) Zitat des Abzeichens der Black Panther Party (BPP) dar. Das war zuerst von der Lowndes County Freedom Organization, einer örtlichen schwarzen Wählerinitiative in Alabama, geführt worden, und Huey Newton, der eigentliche Gründer der BPP, übernahm es für seine Partei. Der Panther brachte unmißverständlich zum Ausdruck, daß man sich von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung distanzierte, soweit diese gewaltlos vorging. Die Black Panthers befürworteten die Revolution, lehnten das Ziel der Integration in das "weiße" Amerika ab und kultivierten ein eigenes "Rassebewußtsein".

Nach der Besetzung der kalifornischen Legislative durch bewaffnete Anhänger der BPP im Mai 1967 und der Inhaftierung Newtons wegen Mordes an einem Polizeibeamten radikalisierte sich die BPP und war an terroristischen Aktivitäten beteiligt; dem FBI galt sie 1968 als "größte Gefahr für die innere Sicherheit der USA". Obwohl Newton 1970 nach einer außerordentlich wirksamen Kampagne zu seinen Gunsten von einem Gericht freigesprochen wurde, gelang es ihm nicht mehr, die BPP zu stabilisieren; nach erneuter Anklage - diesmal wegen des Mordes an einer jungen Prostituierten - floh er für mehrere Jahre nach Kuba und kehrte erst 1977 zurück; die Partei verschwand kurze Zeit später.

Heute wird auch dieser Teil der Geschichte des linken Radikalismus der sechziger Jahre in einem verklärten Licht gesehen. Das hat schon zur Ergänzung der taz-Emblematik, die bis dahin auf die "Tatze" beschränkt war, um das ganze Raubtier geführt. Und anders ist auch ein Bericht in der Frankfurter Allgemeinen über eine Ausstellung kaum zu verstehen, die das Los Angeles Museum of Contemporary Art dem Zeichner Emory Douglas widmet. Douglas hatte für die Black Panther Party nicht nur den Panther, sondern auch eine große Zahl von Propagandazeichnungen entworfen. Die waren, wie der Berichterstatter wohlwollend bemerkt, für die Popkultur "stilbildend", Zeichnungen in scharfen Kontrasten, mit Aktivisten in Lederkluft und Afro look oder bissigen Angriffen auf das Establishment. Hinzuzufügen wäre, daß Douglas auf seinen Bildern Weiße regelmäßig als Ratten und Polizisten grundsätzlich als Schweine darstellte - und die Militanz der BPP eben in Gestalt des schwarzen, angriffsbereiten Panthers.

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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