© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Mysteriöse Kabelbrüche
Wilde Spekulationen in Mittelost
Günther Deschner

Es begann vor zwei Wochen damit, daß zwei Unterseekabel vor Ägypten plötzlich unterbrochen waren. Telefon- und Internet­ausfälle im Mittleren Osten waren die Folge. Zwei Tage später wurden zwei weitere Kabel gekappt, die die Vereinigten Arabischen Emirate mit Oman und Katar verbinden. Der Erklärungsversuch, die Zerstörungen seien von Schiffsankern verursacht worden, hielt nicht lange. Kairo konnte schnell nachweisen, daß sich zum fraglichen Zeitpunkt keine Schiffe im Kabelgebiet aufhielten, das ohnehin Sperrgebiet sei. Und die britische Flag-Telecom erklärte, doppelte Ausfälle und zwei auf einmal, daran könne man sich nicht erinnern. Kein Wunder, daß der vierfache Ausfall in einer notorischen Krisenregion zu Gedankenspielen anregte.

In unabhängigen Medien und Internetforen konnte man lesen, die Kabel seien von den USA oder Israel als Vorbereitung eines Angriffs auf den Iran durchtrennt worden. Doch das Internet ist so konstruiert, daß es bei Störungen trotzdem eingeschränkt funktioniert. Denkbar wäre, daß man Kabel unterbreche, um die Verlagerung von Kommunikation auf Satelliten zu erreichen, um diese dann abzuhören. Blogger hatten einen konkreten Verdacht: In den Tagen der Kabelhavarien seien Hinweise auf Einsätze der "USS Jimmy Carter" von den offiziellen US-Navy-Seiten entfernt worden. Das U-Boot verfüge über eine spezielle multi-mission-platform, die auch Operationen wie das Manipulieren von Kabeln erlaube.

Anderen Beiträgen zufolge war der Grund für den Kabelbruch nicht der Iran gewesen, sondern eine Zuspitzung des Finanzkriegs um den US-Dollar. "Die Amerikaner" seien vorletzte Woche "wütend" gewesen, als die Opec ihre Forderung zurückwies, die Ölförderung zu erhöhen; als die Banken der Türkei es ablehnten, sich von ihren Kontakten zu iranischen Banken zu trennen; als das saudische Königshaus das Ansinnen zurückwies, mit der US-Fed die Zinsen saudischer Dollarwerte zu senken. Wegen der Befürchtung, nach dem Iran könnten weitere Mittelost-Staaten die US-Währung verlassen, hätten die Amerikaner "zur Warnung" wichtige Verbindungen zwischen Bankenzentren des Orients mit ihren globalen Partnern getrennt.

So konstruiert alle diese Spekulationen auch anmuten, bloßer Zufall dürfte von allen Möglichkeiten wohl die unwahrscheinlichste sein. Bliebe am Ende noch die Variante, daß Frank Schätzings Roman "Der Schwarm", in dem Wale die Tanker angreifen, geradezu prophetische Züge besitzt und - wer weiß - womöglich Haifische die Nervenbahnen der Kommunikationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts knacken.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen