© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

"Bitte respektiert die religiösen Sensibilitäten"
Kampf der Kulturen: Mohammed-Bilder lösen erneut Streit aus / Islamistische Internet-Petition gegen Wikipedia
Markus Schleusener

Die Geburt des Propheten Mohammed, Mohammed vor seinen frühesten Anhängern, Mohammed reinigt die Kaaba, Apokalypse des Mohammed, Mohammeds Himmelfahrt - die deutschsprachige Wikipedia-Seite enthält mehrere bildliche Darstellungen des Propheten. Doch wie jeder weiß, ist es den strenggläubigen Moslems untersagt, Bilder des Propheten anzufertigen oder zu betrachten.

Das Internetlexikon Wikipedia hat mit der Verwendung gleich mehrerer Mohammed-Bilder neuen Zwist ausgelöst, der an den Karikaturenstreit von vor zwei Jahren erinnert. Aufgebrachte Moslems fordern nun, daß Wikipedia die Internet-Bilder entfernt. Schon über 100.000 Personen haben eine entsprechende Petition unterschrieben, in der die Wikipedia-Verantwortlichen aufgefordert werden, die Bilder zu entfernen. Diese zeigten Menschen mit Gesichtern, seien also anstößig.

Ende letzter Woche waren es vor allem Personen aus Asien, die sich gegen die Bilder ausgesprochen haben: Pakistan, Arabien, Türkei, Jordanien oder aus - wie Petitor Hasan Al Muhtaseb es auszudrücken pflegt - dem "besetzten Palästinensergebiet". Aber auch ein Merve B. oder ein Ghulam meran Syed Shah aus Deutschland haben elektronisch unterzeichnet.

Die meisten Personen, die sich in der Datenbank eintragen (was im Minutentakt geschieht), kommen aus westlichen Ländern, sie tun dies mit Namen und mit der freundlichen Bitte um Entfernung der Bilder. Aber nicht alle bleiben gelassen bei dem Thema. Mohammed Aizat Salim aus Malaysia zum Beispiel hat auch ein klares Feindbild vor Augen: "Bitte respektiert religiösen Sensibilitäten; bitte seid nicht wie die verfluchten Juden."

Für die Wikipedia-Leute bedeutet diese Diskussion viel Ärger. Vor zwei Monaten gab es eine Strafanzeige wegen des Zeigens von NS-Symbolen (auf der Seite über die Hitlerjugend), und jetzt ein neuer Mohammed-Streit! Die englischsprachige Seite über "Muhammad" ist derzeit gesperrt, so daß niemand Veränderungen vornehmen kann, wie das sonst üblich ist. Die ständigen Anfragen rund um die gezeigten Mohammed-Bilder "verschwenden Zeit und Energie", heißt es von seiten der Wikipedia-Macher ein wenig genervt.

Die offizielle Begründung Wikipedias für die Nicht-Entfernung der Bilder ist einfach und nachvollziehbar. Es gebe kein Bilderverbot, das für alle Muslime gelte. Besonders die Schiiten seien weniger strikt in der Frage von Mohammed-Bildern. "Wikipedia ist kein Ort für das Austragen einer inner-muslimischen Debatte", erklärte Mathias Schindler von Wikimedia Deutschland im Gespräch mit dem Internetinformationsdienst Heise online. Wikipedia ist eine virtuelle Enzyklopädie, an der sich jeder Internetnutzer als Autor beteiligen kann. Die englische Wikipedia-Seite umfaßt bereits zwei Millionen Einträge, die deutschsprachige - weltweit die zweitgrößte - über 700.000.

So sehen die Betreiber selbst ihre Seite: "Wikipedia ist keine Propaganda- oder Werbeplattform und keine Gerüchteküche. Artikel sollen einen neutralen Standpunkt einnehmen. Kontroverse Behauptungen sollen klar dokumentiert sein." Diese Linie wird in den meisten Beiträgen durchgehalten.

Der Betreiber ist eine gemeinnützige Organisation in den USA, die sich nach eigenen Angaben der "Förderung des freien Wissens" verschrieben hat. Trotzdem behaupten Unzufriedene, Wikipedia sei von Großkonzernen oder der CIA gelenkt. Vielleicht kommt jetzt von seiten der Mohammedaner noch eine weitere Verschwörungstheorie dazu.

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