© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Das bayerische Interregnum
Führungskrise: Der traditionelle politische Aschermittwoch in Passau hat deutlich gemacht, wie dünn die Personaldecke der CSU ist / Beifall für Stoiber
Paul Rosen

Der größte Stammtisch Deutschlands ist gnadenlos. Wer als CSU-Politiker nach drei oder vier Stunden am Aschermittwoch aus der Passauer Dreiländerhalle kommt, weiß um seine Reputation beim Wahlvolk. Und spätestens seit dem letzten Aschermittwoch wissen CSU-Chef Erwin Huber und der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein, daß sie ein Problem haben: Ihre Zugkraft beim Volk ist - jedenfalls für CSU-Verhältnisse - nicht stark genug.

Bereits nach acht Minuten in der mit 4.000 Zuhörern gefüllten Dreiländerhalle und schon vor den ersten Reden stand fest, daß es für Beckstein und Huber schwer werden würde. Da wurde nämlich Vorgänger Edmund Stoiber begrüßt, und der Ruheständler bekam erheblich mehr Beifall als seine Nachfolger. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch den versammelten CSU-Vorständlern klar, daß sie in einem Interregnum, einer Übergangszeit, leben und die Führungsfrage nicht beantwortet ist. Das Problem ist nur, daß keine Zeit mehr ist, sie zu beantworten.

Mit dem Tandem Huber/Beckstein, bei dem unklar ist, wer vorne sitzt, muß die CSU in die Landtagswahl im Herbst und eine Zweidrittelmehrheit der Mandate (über 60 Prozent) verteidigen. Aktuelle Umfragen sehen die CSU leicht über 50 Prozent, so daß sich der in Hessen und Niedersachsen sichtbare Trend hoher Verluste fortsetzen oder sogar verstärken könnte.

Klar war im vergangenen Jahr: Die CSU hatte ihren Regenten Edmund Stoiber satt. Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli konnte den Mann, der 2002 beinahe Kanzler geworden wäre, in aller Öffentlichkeit vorführen. Das zeigte, daß die Macht von Stoiber hohl, die Disziplin in der CSU brüchig geworden war. Der Sturz des Patriarchen ließ sich Anfang letzten Jahres in Kreuth relativ problemlos bewerkstelligen. Zusammen hatten Huber und Beckstein genug Kraft, Stoiber in den Ruhestand zu schicken. Aber Kraftreserven haben sie offenbar nicht.

Einst Speerspitze der Opposition

Unter Theo Waigel und Edmund Stoiber verstand sich die CSU stets als konservatives Korrektiv der Berliner Regierung, wenn die Union daran beteiligt war, oder als Speerspitze der Opposition. Die letzten Versuche der CSU, beim Erziehungsgeld auch zu Hause bleibende Mütter einzubeziehen, gerieten zur Farce. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hielt die Bayern hin, die SPD überschüttete den bayerischen Partner, dem der richtige Biß zu fehlen schien, mit offenem Spott. In der tagesaktuellen Auseinandersetzung spielen bayerische Politiker kaum noch eine Rolle.

Das hat viel mit der Austarierung der Parteigruppen zu tun. Um den Flügel des geschlagenen Horst Seehofer zu integrieren, berief Huber Christine Hader­thauer zur Generalsekretärin. Die Landtagsabgeordnete stammt wie Seehofer aus Ingolstadt. Außerhalb Oberbayerns ist der Name Haderthauer bis jetzt kein Markenzeichen geworden. Die gesamte Führungsspitze hat nur Landtagsmandate und ist in Berlin nicht verankert. Für jeden Termin müssen die Bayern anreisen und sind auch mit der Landesgruppe der CSU-Bundestagsabgeordneten nicht genug verzahnt. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer scheut die Zusammenarbeit mit Huber, gegen den er im Kampf um den Parteivorsitz verlor. Wirtschaftsminister Michael Glos wirkt immer irgendwie müde. Aber einen Tausch ihrer Minister bekam die CSU nicht hin.

Huber ist zu schwach, um bei Merkel den Austausch von Glos durchzusetzen und selbst ins Kabinett einzuziehen. Das wäre wichtig, damit der Parteichef am Kabinettstisch sitzt. An Seehofer ist nicht ranzukommen. Als Vizevorsitzender mit über 90 Prozent gewählt, ist er bis 2009 sakrosankt. So bleibt Huber als Chef in der zweiten Reihe in München und ist zudem noch als Finanzminister damit beschäftigt, die Anweisungen von Beckstein zum Landeshaushalt auszuführen.

Das ist den bayerischen Wählern nicht verborgen geblieben. Diejenigen, die nach Passau kamen, ließen das ihre Führung wissen. Sie unterhielten sich lautstark, so daß Parteichef und
Ministerpräsident Mühe hatten, gegen den Geräuschpegel in der Halle anzukommen.

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