© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Scharia in Großbritannien
Heuchlerische Erregung
von Wolfgang Fenske

Die Forderung des Erzbischofs von Canterbury, Rowan Williams, die Scharia in Großbritannien einzuführen, ist ein Zeugnis für den historischen Umbruch, in dem Europa steht. Lange bevor der Nationalsozialismus in Deutschland an die Macht kam und die Kirchen für seine Ideologie in die Pflicht nahm, traten Theologen auf, die das Christentum in die Nähe eines deutschen Volksglaubens rückten. Sie fanden nach 1933 die Gunst des Regimes. Lange bevor der Sozialismus in halb Europa an die Macht kam und die Kirchen für seine Ideologie in die Pflicht nahm, traten Theologen auf, die das Christentum als Variante des Sozialismus darstellten. Sie waren nach 1945 gefragte Gesprächspartner staatlicher Organe.

Abermals sortiert sich nun die Lage neu. Man wird Williams schwerlich unterstellen können, die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Ob sein Vorstoß dem Besitzstand seiner Kirche oder nur der Zukunft seiner Person galt, bleibt offen. Seinen bischöflichen Auftrag hat er jedenfalls in eklatanter Weise verfehlt.

Die wohlfeile Erregung aber, die jetzt unisono ertönt, ist heuchlerisch. Sie kommt von jenen, die den tiefgreifenden Umbruch, der sich vor aller Augen vollzieht, mit zu verantworten haben. Von ihnen erwartet man Rechenschaft, sonst nichts.

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