© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Flucht aus der Zeit
Midgard-Schlange und Reptilienzoo: Die Nibelungenhalle im Naturpark Siebengebirge als Hinterlassenschaft wilhelminischer Wagner-Begeisterung
Ansgar Scholz

Versteckt zwischen Rhein und Drachenfels findet sich mitten im Naturpark Siebengebirge ein Kleinod deutscher Kulturgeschichte, die Nibelungenhalle. Wer den Aufstieg vom Rheintal aus wagt, muß an heruntergekommen Freßbuden, entleerten Tanzcafés und der Talstation der völlig überteuerten Zahnradbahn vorbei. Der steile Weg wird gesäumt von Eseln, die Kinder auf ihrem Rücken den Berg hinauftragen, und kleinen Kästen, die gegen Einwurf eines geringen Geldbetrages, deutsche Märchen lebendig werden lassen. Unvermutet steht man vor einem kleinen archaisch wirkenden Gebäude, der Nibelungenhalle, die wie aus einer fernen Zeit wirkt. Am Kassenhäuschen vorbei, wo der Eintritt für den angegliederten Reptilienzoo zu entrichten ist, betritt man einen kühlen, dunklen Saal. Spärliches Licht fällt durch zwölf kreisförmig angeordnete Fenster in der freitragenden Betonkuppel.

Beim Betreten der Halle ertönen Richard-Wagner-Klänge. Ihn wollte Hermann Hendrich zum hundertsten Geburtstag mit dem Bau ehren. Hendrich, 1854 geboren, war ein Landschaftsmaler, der sich dem germanischen Erbe verpflichtet fühlte. Wagner inspirierte ihn so sehr, daß ihm von Zeitgenossen manchmal sogar vorgeworfen wurde, er illustriere eher dessen Werk, als eigenständige Kunstwerke zu schaffen. 1907 war er gemeinsam mit Fidus Mitbegründer des Werdandi-Bundes, der sich gegen die als hypermodern und dekadent empfundene Gegenwartskunst wandte und statt dessen das Lebensbejahende in der Kunst stärker betonen wollte. Bis zu seinem Tod 1931 in Schreiberhau blieb ihm größere künstlerische Anerkennung verwehrt. Schon zu Lebzeiten schuf er daher eigene Stätten für seine Bilder, die er für unbedingt sehenswert hielt. Erhalten ist neben der Nibelungenhalle nur noch die Walpurgishalle im Harz.

Zwölf eigens für die Königswinterer Gedenkstätte geschaffene Bilder stellen den Ring der Nibelungen dar. Über den Boden schlängelt sich die mittlerweile schon etwas lädierte Midgard-Schlange. Eine angrenzende Nische ziert ein Gedenkstein für Richard Wagner. Stilistisch nicht ganz passend, finden sich hier weitere Hendrich-Gemälde. Die heutige Besitzerin Marlies Blumenthal erklärt, daß diese aus der Halle deutscher Sagenring in Burg an der Wupper stammen, die ebenfalls ihrem Vater gehört hatte. Gerade rechtzeitig vor deren Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurden die Bilder hierher gebracht.

Der Zustand der Halle ist leider erbärmlich. Wehe, der Blick richtet sich nach oben. Durch die porös gewordene Betonkuppel dringt Wasser ein und setzt seit Jahrzehnten der Halle und auch den Gemälden zu. Ursprünglich, so erklärt Marlies Blumenthal, habe die Kuppel mit einer Kupferhaube abgedeckt werden sollen, aber der kurz nach dem Bau ausbrechende Erste Weltkrieg ließ dies nicht zu.

Um dennoch zumindest den Erhalt sicherstellen zu können, habe sich ihr Vater dazu entschlossen, durch einen steinernen Drachen in einer Höhle und seit Ende der fünfziger Jahre auch durch den Reptilienzoo die Attraktivität und damit vor allem die Besucherzahlen zu steigern. Selbst der Denkmalschutz, dem das Gebäude seit den achtziger Jahren unterstellt ist, hat den Zustand der Halle bislang nicht verbessern können. Möglicherweise liegt dies an den mit Sonnenrädern geschmückten Fenster und der mit germanischen Siegeszeichen verzierten Eingangstür, die das Ganze wie eine Kultstätte erscheinen lassen. Ritualhaft ereifern sich jedes Jahr wieder selbsternannte Kulturhüter, die vermeintlichen Hakenkreuze an den Fenstern sollten doch endlich entfernt werden.

Um mittelfristig doch den Erhalt dieser Kulturstätte zu sichern und Hendrichs Werk zu erhalten, wurde 2001 eine Stiftung ins Leben gerufen. Hendrichs Nachlaß soll gepflegt, seine Stätten, sofern sie noch vorhanden sind, restauriert werden.

Die Nibelungenhalle ist vom 15. März bis 15. November von 10 bis 18 Uhr geöffnet, in den Wintermonaten nur am Wochenende. Über Spenden freut sich der Nibelungenhort - Förderverein des Malers Hermann Hendrich e.V., im Internet unter www.nibelungen-hort.de

Foto: Hermann Hendrich, Wotans Abschied: 2006 wurde das Bild bei Sotheby's versteigert

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