© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Der Fehler liegt in der Vergangenheit
Riester-Rente: An der Zusatzvorsorge ist einiges faul, der Weg hin zum Kapitaldeckungsverfahren ist richtig
Klaus Peter Krause

Die "Riester-Rente" ist in Verruf geraten. Auslöser dafür war im Januar das ARD-Magazin "Monitor", das sich auf Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) berief. Selbst ein Durchschnittsverdiener, der 32 Jahre in die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) einzahle, werde 2030 von dieser Rente kaum etwas haben. Seitdem ist über den Nutzen der (staatlich subventionierten) privaten Rentenzusatzversicherung, benannt nach dem früheren Arbeitsminister Walter Riester (SPD) und 2002 eingeführt, die Diskussion entbrannt.

Der Ökonom Klaus Jaeger vom Institut für Wirtschaftstheorie an der FU Berlin rechnete vergangene Woche in der FAZ vor: Wer heute 22 Jahre alt ist und brutto im Jahr nur 12.000 Euro verdiene, komme im Jahre 2053 auf eine GRV-Rente von monatlich etwa 350 Euro und eine Riester-Rente von 320 Euro, also auf Alterseinkünfte nur in Höhe der sogenannten Grundsicherung. Diese Grundsicherung erhalten jedoch alle - auch diejenigen ohne "Riester-Vertrag". "Seine Beiträge für die private Altersvorsorge hat er also komplett in den Sand gesetzt", so der FU-Professor. Dennoch ist der Schritt zu einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge richtig, denn die GRV reicht für künftige Rentnergenerationen hinten und vorne nicht mehr (JF 12/06). Um also im Alter nicht in Armut zu fallen, müssen die Bürger zusätzlich sparen. Eine Möglichkeit dafür ist ein Riester-Vertrag bei einem Versicherungsunternehmen, einer Bank oder Fonds-Gesellschaft. Die Rente daraus wird vom Staat stark subventioniert: mit Zulagen (Abschnitt XI. Einkommensteuergesetz/EStG) und Steuervergünstigungen (Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG).

Nur das veranlaßte viele der inzwischen über zehn Millionen "Riester-Sparer", dieses Angebot wahrzunehmen, sonst würde es sich nicht lohnen. Aber weil die Riester-Rente ausgleichen soll, was die GRV und andere Altersvorsorgesysteme nicht mehr leisten können, ist die Subventionierung vor allem auf jene beschränkt, die ihnen zwangsweise angehören: Arbeitnehmer, GRV-pflichtige Selbständige und Beamte. Allerdings sind diese Bürger auch Steuerzahler. Folglich finanzieren sie selbst mit, was ihnen der Staat zum Riester-Sparen zuschießt.

Und immer, wenn etwas subventioniert werden muß, ist etwas faul daran - das gilt auch für die Riester-Rente. Für Menschen mit geringem Einkommen wird die GRV-Zahlung geringer sein als die staatliche Grundsicherung (Sozialhilfe), auf die sie Anspruch haben. Haben sie eine Riester-Rente angespart, dann erhalten sie die Sozialhilfe, aber um den Riester-Betrag gekürzt - auch etwaige sonstige Einkünfte werden angerechnet. Rente und gekürzte Sozialhilfe zusammen ergeben dann nur den Betrag der staatlichen Grundsicherung. Folglich haben sie trotz ihrer Einzahlungen für die Riester-Rente nicht mehr, als wenn sie keinen Riester-Vertrag abgeschlossen und nichts gezahlt hätten.

Anders aber als die staatliche GRV ist die Riester-Versicherung freiwillig. Der Anreiz, sich für die Zusatzrente Monat für Monat Geld vom Munde abzusparen, ist für "Geringverdiener" gleich Null. In diese Lage könnten auch Menschen mit Durchschnittseinkünften geraten - wenn sie beispielsweise eine unstete Erwerbsbiographie oder Zeiten von Selbständigkeit haben. Wohl verhalten sich "Geringverdiener", wenn sie sich einem Riester-Vertrag verweigern, nicht solidargemeinschaftlich und schaden sich langfristig möglicherweise auch selbst. Aber wenn sie das (aus welchen Gründen auch immer) nicht kümmert, handeln sie zumindest bedingt rational. Denn die Riester-Vorsorge mindert die künftigen Sozialhilfeausgaben, ihre eigene Einkommenslage verbessert sich aber nicht.

Faul ist aber auch, daß mit der Riester-Rente das Versagen der GRV als Spätfolge einer lange zurückliegenden Fehlentscheidung aufgefangen werden soll: bei der Altersversorgung auf das Umlageverfahren mittels Körperschaften öffentlichen Rechts ohne Wettbewerb (gleichsam als Staatsmonopol) zu setzen statt auf eine kapitalgedeckte Pflichtversicherung samt freier Entscheidung für einen privaten Anbieter, der im Wettbewerb steht.

Die Hinwendung der GRV zum Umlageverfahren begann 1957. 1969 wurde der Wechsel endgültig vollzogen. Diese Staatsversicherung wurde inzwischen zu einem "Desaster für Millionen" (JF 50/05). Dazu beigetragen hat nicht nur die falsche politische Weichenstellung (Umlage- statt Kapitaldeckungsverfahren), mitgewirkt haben auch politischer Mißbrauch (systemwidrige Mittelverwendung der Versichertengelder), politische Mißwirtschaft in Wirtschafts- und Finanzpolitik und die (auch daraus resultierende) Arbeitslosigkeit. Demographische Faktoren - weniger Kinder und längere Rentenbezugszeit - machen das Desaster komplett. Der Nachwuchsmangel ist aber zu einem Großteil ebenfalls Folge politischer Fehllenkung, vor allem in der Familienpolitik.

Um so mehr verwundern die zahlreichen Ratschläge, alle Bruttoeinkommen der GRV-Pflicht zu unterwerfen, also auch jenen Teil, der dieser Pflicht bisher entzogen ist und mit dem die Bürger lieber selbst zusätzlich für das Alter vorsorgen. In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird das mit dem Gesundheitsfonds sogar schon versucht (JF 5/07). Auch soll diese GRV-Einheitsversicherung nach wie vor kein kapitalgedecktes System sein dürfen, denn eine umlagefinanzierte Altersversorgung bleibe wesentlich zukunftssicherer, glauben die Befürworter. Es habe sich "auch in schwierigen Zeiten (Inflation, Nachkriegszeit, Wiedervereinigung) bewährt und die Rentenzahlung gesichert". Aber ein solches staatliches Versicherungsmonopol ist Sozialismus pur.

Trotz aller Probleme: Die überwiegende Mehrheit der Riester-Begünstigten sind keine "Geringverdiener", für sie "lohnt" sich die private Altersvorsorge. Daher könnte sich die (kapitalgedeckte) Riester-Rente eines (allerdings fernen) Tages als Einstieg entpuppen, aus der GRV als Staatsmonopol auszusteigen. Wohl bliebe es dann bei der Pflicht, sich zu versichern - aber mit dem Recht, sich ein privates Versicherungsunternehmen seiner Wahl auszusuchen (wie in der privaten Krankenversicherung), und verbunden mit der Abkehr von der Zwangsbeteiligung der Arbeitgeber an der halben Beitragszahlung. Dieser faktische Lohnbestandteil stünde dann den Arbeitnehmern zusätzlich eigenverantwortlich zur Verfügung.

Foto: Walter Riester, der Namensgeber: Die nach ihm benannte Rente als Einstieg in die Kapitaldeckung?

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