© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Die CDU lernt Türkisch
Parteien: Nach dem mißglückten Wahlkampf in Hessen verspüren die Türken in der Union Aufwind / Wertkonservative Einstellungen
Tobias Westphal

Vor der Landtagswahl in Hessen  haben Wahlkämpfer der CDU  zahlreiche Gespräche mit jungen Türken geführt. Man war sich oft einig, die beiden Jugendlichen, die in München einen Rentner fast totgetreten haben, "gehören weggesperrt". Und Studiengebühren an der Universität sind nach Meinung mancher türkischer Studenten auch richtig, denn auf lange Sicht "werden dann dort keine linken Chaoten mehr rumhängen".

Dennoch wollten die meisten Türken die SPD wählen, denn "die haben nichts gegen Ausländer" und setzen sich für die Arbeiter ein. Die Gespräche offenbaren eine bekannte Problematik: Trotz eines konservativen Weltbildes wählen
türkischstämmige Deutsche mehrheitlich nicht die Christdemokraten.

Damit sich dies in Zukunft ändert, wurde schon 1997 in Nordrhein-Westfalen das Deutsch-Türkische Forum (DTF) der CDU gegründet. Dessen Vorsitzender Bülent Arslan, Mitglied im Landesvorstand der nord­rhein-westfälischen CDU, hat sich vergangene Woche bei der Bundespartei wieder ins Gespräch gebracht, indem er den Wahlkampf des hessischen Ministerpräsidenten kritisierte.

Arslan wurde 1975 in der Türkei geboren, seit 1976 lebt er in Deutschland. Dem Vater folgend, trat er in die CDU ein. Er studierte in Duisburg als Stipendiat der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung Volkswirtschaft und Politik und arbeitet heute als Unternehmensberater.

Das Deutsch-Türkische Forum sieht sich als die konservative Stimme der türkischstämmigen Bürger in Deutschland. Es verstehe sich als "eine Plattform innerhalb der CDU, auf der sich Menschen zusammenfinden, die an der Gestaltung einer konkreten Integrationspolitik mitwirken wollen". Zum einen wolle das DTF "die Belange der türkischstämmigen Mitbürger in die CDU tragen und zum anderen die Politik der CDU der türkischstämmigen Bevölkerung näherbringen".

In seinem Brief an das CDU-Präsidium verleiht Arslan seinem Glauben Ausdruck, "daß Roland Kochs polarisierender Wahlkampf, der die Kriminalität ausländischer Jugendlicher in den Fokus gerückt hat, entscheidend zu den großen Stimmverlusten der CDU in Hessen beigetragen hat". Zwar gibt Arslan zu, daß "Themen, die die Menschen bewegen, natürlich nicht tabuisiert werden dürfen". Aber die Türken fühlten sich bewußt von der CDU vor den Kopf gestoßen und ausgegrenzt; Kochs Wahlkampf sei dafür ein Beispiel.

Arslan ist der Ansicht, daß "Migranten inzwischen in weiten Teilen Deutschlands eine wahlentscheidende Bevölkerungsgruppe geworden" sind. In Deutschland leben rund 2,7 Millionen Türken, davon sind zwischen 600.000 und 700.000 wahlberechtigt. Bisher wurden die Deutsch-Türken nur als unwichtige Klientel für die CDU angesehen. Immerhin gibt es nur 800 türkische und mutmaßlich 1.200 bis 2.000 türkischstämmige CDU-Mitglieder. Und laut verschiedenen Studien würden 70 bis 85 Prozent aller wahlberechtigten Deutsch-Türken sowieso Rot-Grün wählen, aber nur zwischen fünf und 15 Prozent Union oder FDP.

Das muß eigentlich überraschen: Türken wünschen sich mehrheitlich einen starken Staat - inklusive innerer Sicherheit -, Familie bedeutet für sie Vater, Mutter und Kind(er) und kein gleichgeschlechtliches, anderes Zusammenleben. Frömmigkeit gibt es im Islam und bei Christen. Durch die Gewerkschaften werden zwar viele türkische Arbeiter an die SPD herangeführt, vor allem sei jedoch für die Deutsch-Türken die Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei durch CDU und CSU problematisch.

Arslan hätte jedoch auch darauf hinweisen können, das Koch mit seiner Integrationspolitik in Hessen das umsetzt, wofür das Deutsch-Türkische Forum der CDU eintritt. Nur wurde dies während des Wahlkampfes - auch von Koch - zu wenig aufgezeigt und ging zwischen den plakativeren Schlagzeilen unter.

Das DTF fordert in sogenannten Positionspapieren: Kinder mit Migrationshintergrund sollen früher gefördert werden, dabei müssen die Eltern in die Pflicht genommen und deren Bildungsbewußtsein gestärkt werden. Denn "jedes Kind muß am ersten Schultag die deutsche Sprache gut beherrschen, jeder Erwachsene muß sie ausreichend sprechen". Auch dürfe der Anteil der Kinder mit einer nichtdeutschen Muttersprache in den Kindergarteneinrichtungen und Schulen nicht zu hoch sein. Nur in einem deutschsprachigen Umfeld haben die Kinder die Möglichkeit, schnell Deutsch zu lernen und die deutsche Sprache zu gebrauchen. Nur so kann der Schulerfolg von Zuwandererkindern wesentlich gesteigert werden.

Dabei wird vom DTF auch bemerkt, daß die Integration in Deutschland bisher weitgehend gescheitert ist. Unter anderem sei auch ein ernstzunehmender Teil der Zuwanderer zu wenig bemüht, sich in Deutschland einzubringen, was zu einer immer weiter fortschreitenden Entfremdung von der deutschen Gesellschaft führt. Der Staat hat zu lange auf eine automatische Integration gehofft und hat bis in die neunziger Jahre hinein keine aktive Integrationspolitik betrieben. Man benötige "eine offene Benennung der Probleme statt gutmenschlichem Wegsehen".

Auch führende CDU-Politiker haben Kritik von türkischstämmigen Prominenten zurückgewiesen. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) sagte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seit Roland Koch in Hessen regiere, werde dort vorbildliche Integrationspolitik gemacht. In Hessen sind mit der frühen Sprachförderung wichtige Akzente in der Integrationspolitik gesetzt worden.

Arslan forderte im hessischen Wahlkampf, daß "den sachlichen Argumenten keine negative Emotionalisierung" folgen dürfe. Doch muß man sich fragen, ob diese Emotionalisierung nicht durch andere Parteien als die CDU oder durch Medien erfolgte. Als Beispiel könnte auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, dienen, denn dieser ist froh, daß es "dem Populisten Roland Koch nicht gelungen ist, mit seiner ausländerfeindlichen Kampagne die Wahlen zu gewinnen": "In Hessen ist eine Ära beendet worden, in der es möglich war, mit ausländerfeindlichen ... Strategien Wahlen zu gewinnen."

Foto: Die Berliner CDU-Zentrale wirbt um türkische Wähler (Montage): "Wahlentscheidend"

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