© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

"Ich wurde auf meine ethnische Herkunft reduziert"
Köln: Anhaltende Spannungen nach dem Tod eines jungen Marokkaners / Ausländische Jugendliche reagieren gereizt auf "Solidarität" deutscher Linksextremisten
Peter Möller

Auch zwei Wochen nach dem Tod eines 17 Jahre alten Marokkaners in Köln-Kalk (JF 6/08) ist die Stimmung in dem Stadtteil weiter angespannt.

Der junge Mann war bei einem Überfall auf einen 20 Jahre alten Deutschen erstochen worden. Als Reaktion auf den Tod des Jugendlichen war es in dem Stadtteil mit einem hohem Ausländeranteil tagelang zu Demonstrationen meist jugendlicher Ausländer gekommen. Diese hatten Polizei und Justiz unter anderem vorgeworden, sie schützten die "Mörder". Die Staatsanwaltschaft hat keine Anklage gegen den 20 Jahre alten Deutschen erhoben, da sie davon ausgeht, daß dieser in Notwehr gehandelt habe.

Der CDU-Fraktionschef im Kölner Stadtrat, Winrich Granitzka, hatte daraufhin vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen gewarnt. Er verglich die Situation in dem Stadtteil mit einem Pulverfaß: "Uns drohen Zustände wie in den Vorstädten von Paris", sagte er dem Kölner Expreß.

Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen reagierte mit völligem Unverständnis auf die Äußerungen Granitzkas. "Das sind die falschen Worte zur falschen Zeit. Ich erwarte von einem verantwortungsvollen Politiker Lösungen, keine plakativen Problembeschreibungen oder Vorwürfe und das Heraufbeschwören von Horrorszenarien", sagte der Polizeipräsident. Auch der Oberbürgermeister der Domstadt, Fritz Schramma (CDU), bezeichnete den Vergleich mit den Unruhen in Frankreich als "nicht angebracht" und lobte die jugendlichen Demonstranten, die friedlich für ihr Anliegen einträten.

Fehlgeschlagen ist offensichtlich der Versuch von Linksextremisten, die tagelangen Demonstrationen in dem Stadtteil für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Mehrere Antifa-Gruppen hatten dazu aufgerufen, sich mit dem Opfer zu solidarisieren und an den Demonstrationen und Mahnwachen teilzunehmen. Diese Idee stieß bei den ausländischen Jugendlichen offensichtlich auf wenig Gegenliebe.

Auf dem linksextremen Internetportal Indymedia erschien in der vergangenen Woche der Erfahrungsbericht eines "Antifaschisten", der nach eigenen Angaben versucht hatte, sich an einer "Mahnwache für den ermordeten Salih" zu beteiligen, und dafür Prügel bezog. "Einige Jugendliche beschimpften mich ohne erkennbaren Grund als 'Scheiß-Deutscher', 'Schweinefresser' und 'Nazischwein' und schlugen mir ins Gesicht", heißt es in dem Bericht von Hartwig Pruske vom Krefelder Präventionsrat gegen Rassismus und Gewalt. Der Angriff erfolgte, obwohl er ein "deutlich als antifaschistisch" erkennbares Plakat mit der Aufschrift "Gegen jeden Rassismus - Nazis entschlossen engegentreten!" bei sich trug. Auch andere deutsche Teilnehmer seien angepöbelt worden. "An dieser Stelle wird praktische Solidarität schwierig, weil sie anscheinend von einem großen Teil der Adressaten überhaupt nicht erwünscht ist." Für Pruske ist diese unerwartete Mißfallensäußerung allerdings kein Grund, von seinem Vorhaben abzulassen.

"Wir Linken müssen jetzt deutlich machen, daß es viele Menschen mit 'deutschem' Hintergrund gibt, die auf der Seite der diskriminierten MigrantInnen stehen, und daß der Konflikt in Wahrheit kein Konflikt zwischen Nationalitäten, Religionen oder angeblichen 'Rassen' ist, sondern eine Auseinandersetzung allein um soziale Benachteiligung und Ausgrenzung von Menschen mit bestimmter Herkunft!"

Er hege die große Befürchtung, daß sich bei vielen Beteiligten eine "ethnisierende Sichtweise" des Konflikts herausbilden könnte. Zumal sich dieses mit seinen eigenen schmerzhaften Erfahrungen decke. "Daß ich zur Mahnwache gekommen war, um gemeinsam mit den Trauernden und an ihrer Seite zu demonstrieren, war scheinbar irrelevant - ich wurde auf meine ethnische Herkunft reduziert und allein wegen dieser Herkunft beleidigt und angegriffen", beklagt sich der linke Aktivist.

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