© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Kolumne
Achtung, Stiefelmädchen!
Thor Kunkel

Stiefel sind wieder in. Nicht bei Männern wohlgemerkt, sondern bei den Amazonen-Püppies, die am Prenzelberg und in Berlin-Mitte so prächtig gedeihen. Jung, keck und gestiefelt sieht man sie samstags die Shopping-Meilen der Hauptstadt abklappern. Ach, es sind schon mächtige Mädels dabei, richtige Rauhhälse. In ihren U.S.-Army-Jacken (natürlich von Kenzo) und Polar-Camouflage-Hosen scheinen sie einem "Boot Camp" entsprungen. Wer akzeptiert hat, daß alle Modetrends einer zeitgeistlichen Strömung entsprechen, der wird in diesem Trend einen Vorschub zur geschlechtsneutralen Gesellschaft und dem Gender-Mainstreaming-Programm der Regierung erkennen.

Tja, wer die Hosen anhaben oder ablegen will, darf eben auch das passende Schuhwerk nicht scheuen: Während "Sie" jetzt die Treter anhat, geht "Er" in weichen, knallbunten Puma-Schühchen oder Leder-Flipflops flanieren. Ein Stiefelmädchen hört man von meilenweit kommen, die Männer dagegen sind Schleicher. Wo ist der Marlboro-Mann abgeblieben? Traut er sich nicht mehr auf die Straße, weil gestiefelte Männer in diesem Land schon lange unter Beobachtung stehen?  Harte Ledersohlen, überhaupt jedes maskulin angehauchte Schuhwerk, ist unter den Jungen jedenfalls restlos verpönt. "Ist eher was für die ältere Generation", meint auch die Schuhverkäuferin von Görtz, Ecke Kurfürstendamm. Merke: Junge Männer kaufen keine Stiefel.

Erstaunlich, daß die Hoch-Zeit des Stiefels mit der NS-Zeit und ihrem Großmannstum korrelierte. "Das Geheimnis eines blitzenden Schafts beginnt mit der Politur", hieß es 1936 in einer Reklame für Schmierwachs. Während alte Haudegen wie Hindenburg angeblich mit Keilerfett wienerten, schwankte die "Reichsjugend" unter Baldur von Schirach zwischen Urbin- und Erdal-Schuhputz. Überhaupt, die Pflege der Stiefel: In dem feuchtwarmen Klima des Langschäfters gedeihen Bakterien vorzüglich, vor allem Soldaten konnten später ein Lied davon singen. Wissen die heutigen Stiefelmädchen eigentlich, woher das Wort Stinkstiefel kommt?

 Wahrscheinlich nicht. Den meisten scheint es eh gleich zu sein, was die Männer von ihnen denken. Zum durchgestylten Eindruck gepflegter Verwahrlosung braucht es vielleicht auch eine Geruchsnote stärker. Früher haben doch nur die Kerle gestunken, - auch diese Bastion von Männlichkeit wird nun endlich genommen, und unseren Berliner Stiefel-Lolas gebührt wieder mal die Vorreiterrolle!

 

Thor Kunkel ist Schriftsteller und u.a. Autor des Bestseller Romans "Endstufe".

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen