© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

Teure Sprechblasen
Prediger und Falken: Im Wahlkampf der Superlative bleiben außenpolitische Konturen unscharf
Michael Wiesberg

Es ist, zumindest was die finanziellen Mittel der Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahl angeht, ein Wahlkampf der Superlative, der derzeit in den Vereinigten Staaten abläuft. Die US-Bundeswahlbehörde schätzt, daß sich die Gesamtausgaben am Ende auf mehr als eine Milliarde Dollar belaufen werden. Wer eine ernsthafte Chance haben will, muß nach Meinung vieler Experten mindestens hundert Millionen Dollar an Wahlkampfmitteln mobilisieren, um mithalten zu können.

Aber noch aus einem anderen Grund unterscheidet sich diese Wahl von vielen vorhergehenden: Weder der Amtsinhaber noch der Vizepräsident treten diesmal an, was es seit 1928 nicht mehr gegeben hat.

Diese Konstellation macht sich naturgemäß insbesondere bei den Republikanern negativ bemerkbar, die nach Meinung von Beobachtern auf ein "Kandidatenchaos" zusteuern, das sich wohl auch nach dem kommenden "Super-Dienstag" am 5. Februar, an dem in 22 US-Bundesstaaten Vorwahlen anstehen, nicht auflösen dürfte. Der in hiesigen Kreisen noch bekannteste Anwärter auf die  republikanische Kandidatur, der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, der sich insbesondere als Krisenmanager im Zusammenhang mit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 einen Namen gemacht hat, hielt sich bisher bewußt zurück und setzt vor allem auf Flächenstaaten wie Florida, New York oder Kalifornien. Mike Huckabee, der ehemalige Gouverneur von Arkansas, genießt zwar die nicht zu unterschätzende Unterstützung der evangelikalen Christen, ist jedoch außenpolitisch ein völlig unbeschriebenes Blatt. Mitt Romney, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts, der die Vorwahlen in Michigan haushoch gewinnen konnte, gilt vor allem als Mann des Wall-Street-Establishments. Die Chancen des als "Falken" apostrophierten John McCain, Senator aus Arizona, werden wegen seiner Unterstützung des Irak-Kriegs als eher durchwachsen eingeschätzt; dennoch aber gilt er noch als der aussichtsreichste Kandidat der Republikaner.

Da offensichtlich aber keiner dieser Kandidaten die Finanzmittel hat, in allen Staaten "effektiv zu konkurrieren", droht den Republikanern möglicherweise, so prognostizierte es die Washington Post, eine Kampfabstimmung auf einem Parteitag irgendwann im Sommer. Nicht nur deshalb müssen sich die Republikaner fragen lassen, warum es ihnen nach acht Jahren Präsidentschaft (bezeichnenderweise) nicht gelungen ist, einen mehrheitsfähigen Kandidaten in die Vorwahlen zu schicken.

Ganz anders sieht die Situation im Kandidatenlager der Demokraten aus, wo der als Charismatiker gehandelte Barack Obama, Senator aus Illinois, und die Senatorin von New York, Hillary Clinton, das Geschehen dominieren. Daß der Afro-Amerikaner Obama, ein politischer Neuling, der gerade einmal auf eine zweijährige Senatserfahrung verweisen kann, der erfahrenen Politikerin Clinton - der ersten Frau im übrigen, die für das Amt des US-Präsidenten kandidiert - derartig gefährlich werden kann, ist bereits bemerkenswert genug und möglicherweise ein Indiz für die Identitätskrise und Zerrissenheit, in die die USA seit dem Amtsantritt von George W. Bush geraten sind. Obama tritt nämlich eher wie ein Prediger und nicht wie ein Politiker auf. Er hat es verstanden, die Sprache der "schwarzen Befreiungstheologie", wie der englische Publizist Jonathan Raban in einer Analyse für die FAZ feststellte, in eine auch für Weiße akzeptable Form zu gießen. Dieser politische Theologe ("Wir sind bereit, wieder zu glauben!") versteht es offensichtlich, weite Teile der Nation anzusprechen.

Demgegenüber gilt die ebenso nüchtern wie sachlich auftretende Hillary Clinton eher als Kandidatin der gehobenen weißen Mittelschicht bzw. des Establishments. Das hat sich unter anderem in ihrer prall gefüllten Wahlkampfkasse niedergeschlagen. Sie hat es laut einem Bericht des jüdisch-amerikanischen Wochenmagazins Forward auch geschafft, den Löwenanteil der für die Demokraten so wichtigen Wahlkampfspenden amerikanischer Juden einzusammeln. Nicht auszuschließen ist deshalb, daß der kommende "Super-Dienstag" für Obama trotz seines zuletzt überzeugenden Sieges in South Carolina zum "Showdown" gerät, an dessen Ende Clinton triumphiert.

Daß in dieser von den US-Medien zum Pferderennen zwischen den Kandidaten hochgespielten Auseinandersetzung politische Inhalte in den Hintergrund treten, ist für US-Verhältnisse so ungewöhnlich nicht. Eine politische Botschaft durchzieht das Credo aller Kandidaten dennoch, nämlich an einem Comeback der Vereinigten Staaten arbeiten zu wollen. In der Tat haben die USA in den acht Jahren der Präsidentschaft von George W. Bush viel von ihrer einstmals unbestrittenen weltweiten Dominanz eingebüßt. Stichworte hierfür sind die Finanz- und Dollarkrise, der Bürgerkrieg im Irak, das Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan, aber auch die illegale Zuwanderung in die USA, insbesondere von Mexiko aus. Es droht sich für die USA allmählich zu bewahrheiten, was der 2007 verstorbene Historiker Arthur Schlesinger jr. bereits 1991 als "Disuniting of America" bezeichnete, nämlich die Bedrohung der amerikanischen Identität durch unregulierte bzw. illegale Zuwanderung. Dieses Thema könnte zumindest innenpolitisch zum wichtigsten des laufenden Präsidentschaftswahlkampfes werden. Dessen Brisanz wird bereits an der Zahl der "Illegalen" in den USA deutlich, die auf etwa elf bis zwölf Millionen geschätzt wird.

International dürfte der Fokus auch in der kommenden Präsidentschaft vor allem auf den Nahen und Mittleren Osten gerichtet sein, wo die derzeitigen Brandherde der US-Außenpolitik liegen. Unklar bleibt bei allen Kandidaten, welche Politik Rußland gegenüber betrieben werden soll; dieses Thema wurde bisher kaum angesprochen, ähnliches gilt auch für China. Keine eindeutige Antwort ist auch auf die Frage erkennbar, ob sich die USA künftig Europa gegenüber weniger unilateral verhalten werden.

Da aber alle Kandidaten durchblicken ließen, an einem Wiedererstarken der USA arbeiten zu wollen, sollten die Hoffnungen auf ein kooperationswilligeres Amerika nicht allzu hoch gehängt werden. Denn unabhängig von der Frage, ob die Vereinigten Staaten künftig von einem demokratischen oder einem republikanischen Präsidenten geführt werden: Außenpolitisch dürften die USA vor allem auf Kontinuität setzen.

Foto: Lady Liberty ist rostig, das Sternenbanner verschlissen: Es gibt viel zu tun für George W. Bushs Amtsnachfolger

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