© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/08 25. Januar 2008

Die Rom-Kritiker haben ausgedient
Bischofskonferenz: Katholische Kirche sucht Nachfolger für Kardinal Lehmann / Auch vier Konservative gelten als mögliche Kandidaten
Georg Alois Oblinger

Es ist Zeit für eine Wachablösung." Mit diesen Worten kündigte Kardinal Karl Lehmann am 15. Januar in einem Brief an die deutschen Bischöfe seinen Rücktritt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz an. Lehmann, der dieses Amt fast 21 Jahre lang ausübte und damit weltweit der dienstälteste Vorsitzende einer Bischofskonferenz ist, begründete seinen Schritt mit gesundheitlichen Problemen. Herz-Rhythmus-Störungen hatten ihn im Dezember für mehrere Wochen dienstunfähig gemacht. Die Amtsniederlegung soll am 18. Februar nach der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe erfolgen. Allerdings will der 71jährige weiterhin Bischof von Mainz bleiben.

Die Ära Lehmann geht damit zu Ende. Während die Medien sowie Vertreter von Kirche und Politik in den vergangenen Tagen fast unisono ihr Bedauern zum Ausdruck brachten und Lehmanns große Fähigkeit zum Dialog priesen, verstanden konservative Katholiken den Satz von der Wachablösung noch in einem weiteren Sinne. Ein Liebling der Konservativen und Papsttreuen war Lehmann nie. Denn in den vergangenen zwei Jahrzehnten kam es immer wieder zum Tauziehen zwischen dem Vatikan und den Bischöfen in Deutschland mit ihrem Vorsitzenden Karl Lehmann.

Nicht nur bei der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten ging Lehmann auf Konfrontation zu Rom, sondern auch in der jahrelangen Debatte um die Schwangerenkonfliktberatung setzte er sich - gegen den ausdrücklichen Willen Roms - für eine weitere Scheinvergabe ein. Als die katholische Kirche dennoch im Januar 2001 die Ausstellung von Beratungsscheinen beendete, mit denen eine straffreie Abtreibung möglich ist, zeigte sich Lehmann gehorsam. Vermutlich deshalb wurde ihm noch im selben Jahr die Kardinalswürde verliehen, die ihm zuvor lange vorenthalten wurde.

Mit Lehmanns Rücktritt vom Amt des Vorsitzenden schreitet der Generationenwechsel in der deutschen Bischofskonferenz weiter voran. Die Verjüngung des Episkopats geht mit einer Annäherung an Rom einher. Der so oft beschriebene "deutsche Sonderweg" in der katholischen Kirche ist am Ende angelangt. Die Rom-Kritiker haben weitgehend ausgedient. Das Klima in Deutschland - im Klerus wie im Volk - ist in den vergangenen Jahren spürbar romfreundlicher geworden.

Deutschlands jüngster Diözesanbischof, der ehemalige Benediktinerabt Gregor Maria Hanke (53), der seit knapp einem Jahr das Bistum Eichstätt leitet, ist sehr traditionsbewußt und hat die Wiederzulassung der alten Messe auffallend freudig begrüßt. Demnächst erhält er mit Franz-Peter Tebarz-van Elst (48) in Limburg und Karl-Heinz Wiesemann (47) in Speyer zwei noch jüngere Kollegen im Bischofsamt. Der biologische Prozeß wird hier ergänzt durch eine durchdachte und weitsichtige Personalauswahl von seiten des Vatikans.

Auch im Vorsitz wird sich die Bischofkonferenz jetzt verjüngen. Denkbar wäre natürlich, daß Lehmanns bisheriger Stellvertreter Heinrich Mussinghoff (67), derzeit Bischof von Aachen, die Nachfolge antritt und dann voraussichtlich den liberalen Lehmann-Kurs weiterfährt. Zunehmend steigen jedoch die Chancen auf einen konservativeren Kandidaten. Joachim Meisner, Erzbischof von Köln, ist zweifellos der profilierteste Anwärter. Innerhalb des deutschen Episkopats war er stets der größte Kritiker Lehmanns. Doch für die Wahl zum Vorsitzenden konnte er bislang keine Mehrheit finden. Als konservativ gelten ferner drei weitere M-Bischöfe: Walter Mixa, Gerhard Ludwig Müller und Reinhard Marx.

Mixa, der erst im Sommer 2005 von Eichstätt nach Augsburg berufen wurde und damit - als erste Bischofsernennung des deutschen Papstes - einen größeren Aufgabenbereich erhielt, greift immer wieder gerne in die politischen, ethischen und kirchlichen Debatten des Landes ein und scheut dabei im Gegensatz zu Lehmann keinen Konflikt mit den Vertretern der Politik.

Gerhard Ludwig Müller, seit 2002 Bischof von Regensburg, könnte sich als Kompromißkandidat anbieten. Er betont stark seine Treue zum römischen Lehramt, führt in seinem Wappen den Titel des vieldiskutierten päpstlichen Schreibens "Dominus Jesus" und ging mehrfach auf Konfrontation zur linken Kirchenvolksbewegung. Andererseits hat er 1977 bei Professor Karl Lehmann in Freiburg promoviert und ist diesem "in langjähriger Freundschaft" verbunden.

Als aussichtsreichster Kandidat für die Lehmann-Nachfolge in der Deutschen Bischofskonferenz galt bislang der noch amtierende Bischof von Trier Reinhard Marx, der am 2. Februar das Amt des Erzbischofs von München übernimmt. München ist nicht nur eine größere und bedeutendere Diözese als Trier; sie gilt überdies auch als sehr schwierig. Dies bekam schon der heutige Papst zu spüren, der von 1977 bis 1981 als Erzbischof Joseph Ratzinger in München große Widerstände erfuhr. Wenn nun Marx Anfang Februar dieses Amt übernimmt, wird man ihm bei der Vollversammlung der deutschen Bischöfe vom 12. bis 15. Februar wohl kaum ein weiteres arbeitsintensives Amt aufladen, zumal der bisherige Vorsitzende der Bischofskonferenz mit Mainz ein relativ kleines Bistum leitete.

Karl Lehmann ist ohne Frage schwer krank; doch er war auch immer ein kluger Taktiker. So scheint der Zeitpunkt seines Rücktritts strategisch klug gewählt. Wenn er verhindern wollte, daß Reinhard Marx sein Amtsnachfolger wird, wie es viele schon für sicher hielten, hätte er kaum einen besseren Zeitpunkt wählen können.

Die Katholiken in Deutschland warten daher gespannt auf die anstehende Wahl. Trotzdem werden sie nicht vergessen, daß letztlich der Geist Gottes die Kirche führt. Daher werden sie weniger auf Gerüchte und Machtkämpfe vertrauen als auf das Gebet.

 

Katholische Bistümer in Deutschland: Die Vollversammlung der Bischöfe tagt vom 12. bis zum 15. Februar.

 

Joachim Meisner

Der Erzbischof von Köln ist der profilierteste Konservative unter den deutschen Bischöfen. Er war stets der größte Kritiker Lehmanns, konnte in der Bischofskonferenz aber nie eine Mehrheit gegen diesen organisieren. Im vergangenen Jahr sorgte er mit seiner Warnung vor einer "Entartung" der Kultur für Aufsehen. Die Chancen des 1933 in Breslau geborenen Kardinals, Lehmanns Nachfolge anzutreten, werden allerdings als gering eingeschätzt.

 

 

Gerhard Müller

Der 1947 in Mainz geborene Bischof von Regensburg gilt als besonders romtreu. Seinen Ruf als Konservativer begründete Müller unter anderem mit seinem Vorgehen gegen die linke Kirchenvolksbewegung in seinem Bistum. Müller, der bei Lehmann promoviert hat und diesem freundschaftlich verbunden ist, werden bei der Wahl zum Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz Chancen als Kompromißkandidat eingeräumt.

 

 

Reinhard Marx

Für viele konservative Katholiken war der 1953 im westfälischen Geseke geborene Bischof von Trier lange Zeit Favorit für den Posten des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz. Doch der Termin der Neuwahl kommt denkbar ungünstig für Marx, der unter anderem strikt gegen ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten ist: Am 2. Februar wird er in sein schwieriges Amt als Erzbischof von München und Freising eingeführt. Eine Wahl zum Nachfolger von Kardinal Lehmann gilt daher als unwahrscheinlich.

 

 

Walter Mixa

Neben seinem Amt als Bischof von Augsburg ist der 1941 im oberschlesischen Königshütte geborene Mixa auch katholischer Militärbischof. Im vergangenen Jahr machte er mit seiner scharfen Kritik an der Familienpolitik von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen auf sich aufmerksam. Mixa warf der CDU-Politikerin vor, mit dem von ihr geplanten Ausbau der Kinderkrippen Frauen zu Gebärmaschinen zu degradieren. Als Nachfolge Lehmanns wäre er nur gegen Widerstände durchsetzbar.

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