© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/08 18. Januar 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Extremismus
Karl Heinzen

Zu den großen Zielen von Wolfgang Schäuble zählt ein Gesetz, das es dem Staat ermöglicht, ein von Terroristen zur Waffe umfunktioniertes Passagierflugzeug abzuschießen. Ein solches gab  es zwar schon einmal in Gestalt des unter der Vorgängerregierung verabschiedeten Luftsicherheitsgesetzes. Doch gerade die Schäuble so umtreibende Bestimmung hatte das Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig verworfen.

Der Herzenswunsch des Innenministers ist keine isolierte fixe Idee, sondern fügt sich harmonisch in seine umfassende Vision von einem modernen Gemeinwesen ein, das sich gegen allgegenwärtige Bedrohungen gewappnet hat. Die dahinterstehende Philosophie ist nicht neu, aber simpel und daher einleuchtend: Die Freiheit der Bürger geht heute so weit, daß schon ihr Mißbrauch durch einige wenige alle gefährden kann. Davor vermag uns nur ein Überwachungsstaat mit weitgehenden Handlungsvollmachten wirksam zu schützen. Die Freiheit läßt sich ohne Sicherheit sowieso nicht auskosten. Da ist es doch besser, wenigstens sicher leben zu dürfen und dafür ein paar Schikanen mißtrauischer Kontrollbehörden in Kauf zu nehmen.

Leider sind dem Staat auf diesem Gebiet jedoch verfassungsrechtlich gewisse Schranken gesetzt. Gerade was die Wünsche des Innenministers hinsichtlich eines adäquaten Vorgehens gegen Luftpiraten betrifft, erscheinen sie als besonders eng und unverrückbar. Nicht ganz frei von Häme hat jetzt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, darauf hingewiesen, daß eine Grundgesetzänderung in Schäubles Sinne ausgeschlossen ist. Das durch keinen Parlamentsbeschluß zu verändernde Verfassungsprinzip der Menschenwürde untersagt es dem Staat, zwischen dem Leben von unschuldigen Entführungsopfern in einem gekaperten Flugzeug und jenem von Menschen, die womöglich durch dessen planvollen Absturz am Boden getötet würden, abzuwägen.

Sicherlich ist es unappetitlich, wenn ein demokratisch nicht legitimierter Verfassungsrichter einen gewählten Minister belehrt. In der Sache hat er aber leider recht. Schäuble wird dies nicht beirren, da das Recht zu schweigen hat, wo es um Sein oder Nicht-Sein geht. Niemand kann ihn unterstützen, da dies eine Parteinahme für den Extremismus wäre. Doch sollte man ihn in seinem einsamen Ringen gegen das Grundgesetz von Loyalitätskonflikten entlasten. Als Innenminister obliegt ihm nämlich auch der Schutz der Verfassung mitsamt dem dafür zuständigen Nachrichtendienst. Diese Zuordnung ist aber seit den Tagen Gerhart Baums obsolet.

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