© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

MySpace statt Bohlen
Neue Zielgruppen
Carsten Krystofiak

Die Identität der Kult-Rapper Icke & Er ("Keen Hawaii") ist ein Rätsel. Wer sind sie denn nun? Hamburger Werber? Oder Ex-Profis von Hertha BSC? Keener weeßett. Die sympathischste Version ist: Es sind zwei ganz normale Spandauer Jungs, die einfach entspannt ohne Proll-Posen über ihren Alltag rappen. Das ist sicher ein Märchen, aber ein so schönes, daß man daran glauben möchte. Die Geschichte des Duos ist nicht nur ein Beweis für die Marktmacht des Web 2.0, sondern auch ein Medienphänomen: Wo sich minderbemittelte "Comedians" und sonstige Wichtigtuer vor alle Kameras und Mikrofone drängeln, wird die Abwesenheit in den klassischen Medien plötzlich zum wichtigsten Werbeträger. Icke & Er rappen: "Wir reden nicht mit Bild und geh'n nich' ins TV!" und halten sich daran. Die Vermarktung über MySpace und YouTube suggeriert der "Community" Authentizität und stiftet Identifikation. Icke & Er werden für ihre Strategie durch eine ausverkaufte Tournee belohnt. Es gibt also eine reale Wertschöpfung jenseits des kostenlosen Herunterladens. Die Reaktionen der Musikindustrie ist hilflos und hektisch. Eines Tages wird die Identität von Icke & Er gelüftet - und vielleicht sind viele etwas enttäuscht. Doch wissen wir dann: Jeder kann ein Popstar werden - ganz ohne Dieter Bohlen!

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