© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

Viel Arbeit für Völkerrechtler
Ostsee-Pipeline: Nach den Polen und Balten meldet auch Schweden Bedenken gegen die russisch-deutsche Erdgasleitung an
Joachim Koch

Noch kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres hat die Nord Stream AG in Stockholm den Bau der Ostsee-Pipeline von Wyborg (Viipuri) nach Greifswald durch die schwedische ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) beantragt. Gebaut werden sollen dort ab 2009 zwei Rohrleitungsstränge sowie eine Wartungsplattform. Den Plänen zufolge soll der erste Erdgasstrang ab Sommer 2009 verlegt und 2010 in Probebetrieb genommen werden. Dann soll das erste Gas von Rußland direkt nach Lubmin bei Greifswald fließen. Die Nord Stream ist ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem die russische Gasprom mit 51 Prozent, Eon-Ruhrgas und BASF-Wintershall mit je 20 Prozent und die niederländische Gasunie mit 9 Prozent beteiligt sind.

Doch im schwedischen Reichstag formiert sich Widerstand. Die rot-grüne Opposition hat die Regierung im November auffordert, sie solle mit Polen und den baltischen Staaten versuchen, das Nord-Stream-Projekt einer Rohrleitung für den Transport russischen Erdgases nach Deutschland zu stoppen. Die Gasleitung solle aus Umweltschutzgründen besser an Land verlegt werden. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Ostseeanrainerstaaten Anspruch auf Mitsprache bei der Verlegung der Nord-Stream-Rohrleitung erheben und sie notfalls auch verhindern können.

Für die Beantwortung dieser Frage sind die Vorschriften des Seerechtsübereinkommens der Uno vom 10. Dezember 1982 maßgebend. Es ist am 16. November 1994 in Kraft getreten. Zu seinen Mitgliedern gehören inzwischen 155 Staaten, darunter sämtliche Küstenstaaten der Ostsee. Damit sind sie alle an die diesbezüglichen Vorschriften gebunden. Dieses Übereinkommen gewährt allen Staaten das Recht, Rohrleitungen auf oder unter dem Festlandsockel anderer Staaten zu verlegen. Jedoch bedarf es bei der Festlegung der Trasse über oder durch den Festlandsockel eines Küstenstaates dessen Zustimmung zur vorgesehenen Trasse. Deshalb muß die Nord Stream mit den Küstenstaaten, durch deren Festlandsockel die Rohrleitung verlaufen soll, Einvernehmen über die Trasse herstellen. Das sind entsprechend dem Verlauf der Rohrleitung möglicherweise Finnland, Estland, Lettland, Polen, Schweden und Dänemark.

Die betroffenen Küstenstaaten dürfen das Recht zur Verlegung und Unterhaltung der Rohrleitung jedoch nicht behindern. Auflagen an die Rohrleitungsgesellschaft sind nur zulässig, um Behinderungen der Erforschung des Festlandsockels und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen zu vermeiden und um Umweltverschmutzungen zu verhüten oder zu verringern.

Außerdem dürfen Auflagen zur Überwachung der Rohrleitung zur Verhinderung von Umweltverschmutzungen gemacht werden. Bei einer Rohrleitung zum Transport von Gas ist die Gefahr einer Umweltverschmutzung erheblich geringer als bei einer Rohrleitung zum Transport von Rohöl. Tritt Gas infolge eines Lecks aus einer auf oder im Meeresboden verlegten Rohrleitung aus, verschmutzt es nicht das Meerwasser, sondern es entweicht in die Luft. Anders sieht es beim Austritt von Öl aus einer Meeresrohrleitung aus. Dies verschmutzt das Meerwasser und bedroht die Fauna und Flora des Meeres. Insoweit besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Rohrleitungen zum Transport von Gas und Öl.

Die Uno-Regelung bedeutet zugleich, daß der Küstenstaat seine Zustimmung zur Verlegung der Rohrleitung nicht mit politischen Bedingungen verknüpfen darf. Er kann auch nicht verlangen, daß die Rohrleitung an Land verlegt wird. Deshalb sind die Stockholmer Forderungen ohne Rechtsgrundlage. Sie wären nur dann rechtlich begründet, wenn die Rohrleitung die maritime Umwelt konkret gefährdet oder die Erforschung des Festlandsockels oder die Ausbeutung seiner Ressourcen behindert. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und besteht ein Küstenstaat darauf, die Verlegung der Rohrleitung auf oder durch seinen Festlandsockel zu verbieten, steht der Rohleitungsgesellschaft das Recht zu, gegen den Küstenstaat Klage beim Internationalen Seegerichtshof in Hamburg zu erheben. Die 21 Richter des Internationalen Seegerichtshofes würden sich über ein neues Verfahren freuen, denn seit seiner Etablierung im Jahre 1996 sind ihm nur 15 Streitfälle unterbreitet worden. Deshalb ist er noch nicht angemessen ausgelastet.

Anders sieht es hingegen hinsichtlich der Errichtung einer Serviceplattform aus, die etwa in der Mitte der Rohrleitung für das Weiterpumpen des Gases notwendig ist und die in der AWZ Schwedens liegen wird. Nach dem Seerechtsübereinkommen hat der Küstenstaat innerhalb der AWZ das ausschließliche Recht, Plattformen zu errichten sowie ihre Errichtung, ihren Betrieb und ihren Gebrauch zu genehmigen und zu regulieren. Wegen der Serviceplattform hätte Schweden in den Verhandlungen mit der Nord Stream eine starke Position. So bleibt abzuwarten, ob die Schweden im Tausch gegen ihre Zustimmung zum Bau der Plattform beispielsweise niedrigere Gaspreise aushandeln können.

Aktuelle Informationen finden sich im Internet unter: www.nord-stream.com

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