© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

Bayerische Wirte drohen CSU mit Hausverbot
Rauchverbot: Strenges Gesetz setzt Union unter Druck / 72 Prozent der Anhänger gegen die Regelung / Kommunalwahl am 2. März
Werner Veith

Der Streit um ein rauchfreies Bayern widerlegt gleich drei populäre Mythen auf einen Streich: den Mythos, eine Zivilgesellschaft regele ihre Konflikte besser alleine - ohne Staat; zweitens: unsere Abgeordneten seien lediglich Marionetten des Großkapitals, also der hochkonzentrierten Tabakindustrie; und schließlich: alle Gewalt gehe vom Volk aus und erzeuge jene Gesetze, die dem Volkswillen präzise entsprechen. Hätten die Freunde der Zivilgesellschaft recht (böser Staat - gute Zivilisten), dann wäre das Gesetz zum seit dem 1. Januar geltenden Rauchverbot in Bayern völlig überflüssig, dann würden die Bürger unter sich ausmachen, ob in Wirtshaus, Eckkneipe, Nebenzimmer oder Bierzelt geraucht werden darf (JF 49/07). Auf die Staatsgewalt "im Namen des Volkes" könnte dann verzichtet werden. Seit Jahrzehnten erforschen ganze Heerscharen von Sozialwissenschaftlern die wundersame Wirkung einer Bürgergesellschaft, die aufgeklärt, vernünftig und sachlich argumentierend  ihre Konflikte reguliert. Sollte es einmal nicht klappen, dann treten neue Berufe wie Streitschlichter oder Mediator in Erscheinung, so daß der Staatsapparat langsam absterben dürfte.

Weniger utopisch, dafür klassisch marxistisch ist der Mythos, daß die Abgeordneten vorwiegend die Wünsche der Großunternehmen erfüllen. Im Durchschnitt bedrängen acht Lobbyisten einen Bundestagsabgeordneten, helfen schon mal beim Formulieren von Gesetzesvorlagen. Soll das im Bayerischen Landtag anders sein? Wie können 140 Abgeordnete dem schärfsten Anti-Rauchergesetz Deutschlands zustimmen (bei 18 Gegenstimmen: 14 CSU, 3 SPD, 1 Grüne; 8 Enthaltungen, FDP ist nicht im Landtag vertreten). Schlafen die großen Tabakfirmen?

Am Telefon wird ein Sprecher des Zigarettenherstellers Reemtsma ganz kleinlaut. "Zur Anzahl der Vertreter in München kann ich nichts sagen, dazu bin ich nicht befugt." Er verweist auf das Firmen-Forum www.Toleranz-fuer-Rauchen.de , wo der Hersteller von Zigarettenmarken wie West, Peter Stuyvesant, und Ernte 23 den Gastronomen aus ganz Deutschland ein Forum gibt.

Pikanterweise sind die Wirte in Bayern gespalten. Ihr Hotel- und Gaststättenverband (BHG) verteidigt die neue Regelung und möchte aus Wettbewerbsgründen keinerlei Ausnahmen beim Rauchverbot zulassen. Intern dagegen tobt ein heftiger Meinungsstreit, immer wieder ist von Putschgefahr die Rede. Eine ganz andere Politik verfolgt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DHG), er unterstützt in diesen Tagen eine Klage gegen die Rauchergesetze vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Auch der dritte Mythos, daß in Bayern der Volkswille direkt zur Gesetzeskraft mutiert, trifft nur in Ausnahmefällen zu. Volksabstimmungen sind selten, die Bürger wählen lediglich ihre Vertreter, die "Dünnbiervariante" der Demokratie dominiert das Geschehen. Ob eine Volksabstimmung die gleiche Regelung erzeugt hätte wie die Landtagsentscheidung, ist fraglich. Immerhin seien 72 Prozent der CSU-Anhänger gegen die jetzige Lösung.

Vielleicht strafen die Wähler die CSU bei den anstehenden Kommunalwahl am 2. März ab. Geschwächt ist sie nicht nur durch die Begleitumstände des Stoiber-Rücktritts, sondern gleichfalls  durch CSU-Abspaltungen in Städten wie Würzburg, Coburg, Fürth und Regensburg (JF 18/07). Außerdem dürfte es der CSU schwerfallen, ihre Wähler im Vorfeld zu erreichen: Viele Wirte drohen der Partei mit Hausverbot.

Unter dem Motto "Rauchverbot führt zum Kneipentod" mobilisierte der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur (VEBWK) über 2.000 Wirte im Münchner Löwenbräukeller zu einer Protestkundgebung. Der Wiesnwirt Ludwig Hagn: "Ich gehe sogar soweit, den CSU-Franktionsvorsitzenden Schmid als Mörder der bayerischen Dorfgastronomie zu bezeichnen" - Töne, die sonst nur bei Linksradikalen üblich sind. Die Vorstände des Wirteverbands überlegen schon, eine direkte Wahlempfehlung für die FDP abzugeben.

Der VEBWK im Internet unter www.rauchen-erlaubt.de

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