© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/08 04. Januar 2008

Engagierte Botschafter Naturas
Umweltpublizistik: Der aktuelle Band "Naturkonservativ" bietet Biographien, Schriften und Gedanken von Wahrern intakter Heimat
Michael Howanietz

Die von Andreas Gruhl und Volker Kempf im Auftrag der Herbert-Gruhl-Gesellschaft herausgegebene Jahresschrift "Naturkonservativ" widmet sich im aktuellen Band schwerpunktmäßig dem Nachlaß des einstigen CDU-Politikers Herbert Gruhl. Dabei werden Texte aus der Zeit vor Gruhls Wandel zum Umweltexperten dokumentiert und erläutert. Die nachgelassenen Schriften des 1969 für die CDU in den Bundestag gewählten Abgeordneten ("Die Macht der Opposition", "Ist ein demokratischer Staat machtlos", "So beginnt die Demokratie") lassen Sachverstand und Weitblick erkennen.

"Das Problem der jungen Generation" (1970) etwa leitet die in Untertönen resignative Feststellung ein: "Die radikalen Kräfte der jungen Generation, die unverblümt zugeben, unsere freiheitliche, liberale Demokratie ... in einen sozialistischen Zwangsstaat, eine westdeutsche Räterepublik zu verwandeln, beginnen sich in den Parteien, die gegenwärtig unsere Regierung stellen, einzunisten." So spricht keiner, der den ideologischen Erosionsmechanismen des auslaufenden 20. Jahrhunderts unterworfen war. So spricht ein um die freiheitliche Verfassung fürchtender und redlich für dieselbe streitender Wertkonservativer, der das dem Traditions- und Identitätsraub von 1968 und seiner politischen Etablierung folgende Unheil früh abzusehen vermochte.

Die liebende Verwurzelung in der Natur als Motivator und Träger politischen Engagements kam bei Gruhl in den 1970er Jahren zum Zuge. Diesen Antrieb teilte auch der langjährige Stellvertreter des Südtiroler Landeshauptmanns Silvio Magnano: der über fünf Jahrzehnte wirkende Landtagsabgeordnete Alfons Benedikter. Dessen Biographie beginnt in politischer Hinsicht mit einer Unterschriftensammlung des Jahres 1946, die die Ausübung des Südtiroler Selbstbestimmungsrechts zum Ziel hatte. Sie führt weiter über das Amt des Landesrates für Landschaftsschutz und das im Juli 1957 erlassene erste Landschaftsschutzgesetz Italiens. Auch der Bruch mit seiner politischen Heimat, der Südtiroler Volkspartei, wird aufgezeigt, um die Spuren zur Gründung der Union für Südtirol weiterzuverfolgen.

Naturentfremdete Gesellschaft

Die mit letzterem Ereignis einsetzende mediale Ausgrenzung ließ die junge Bewegung und ihre Leitfigur jedoch nicht davon abhalten, ihrem Programm den idealistischen Dreiklang von Ökologie, Regionalismus und sozialer Verantwortung voranzustellen. Die Wahl 1996 bescherte der jungen Partei mit 11,4 Prozent mehr als einen Achtungserfolg. Der Kampf gegen die Brenner-Autobahn, gegen Atomstrom-Zukäufe und die "grüne" Gentechnik blieben Benedikters vorrangige Umweltanliegen, ehe er sich 1998 mit 80 Jahren in den parlamentarischen Ruhestand begab.

Benedikters wie auch Gruhls Vorbehalte gegen die Plünderung der Natur durch eine zunehmend naturentfremdete Gesellschaft finden sich im nachfolgenden Interview mit dem emeritierten Professor der Universität von Colorado, Al Bartlett, reflektiert: Vom Ende des Billigölzeitalters zur aus Gründen politischer Korrektheit kaum einmal als Problemursache deklarierten Übervölkerung der Erde entwirft Bartlett das düstere Zukunftsbild einer die Mutter Natur und damit die eigenen Existenzgrundlagen vergessen und verstoßen habenden Zivilisation. Die Bevölkerungszahl müsse sinken, denn: "Wenn wir das nicht tun, so wird die Natur es für uns übernehmen und die Methoden der Natur sind sehr hart ... der Tod durch Aids in Afrika ist nur eine der Methoden, die der Natur zur Lösung des Problems zur Verfügung stehen."

Wohl auch als Synonym fortschreitender Naturentfremdung diagnostiziert in Folge Christa Meves den Verlust der "unpopulären Worte". Allen voran wäre es das alltagssprachlich verbannte Wort "Nachahmung", dem nachzutrauern sei, zumal es als rhetorisches Substrat jeglichen Lernvorganges eine Hauptvokabel der Humanpsychologie sein müsse.

Das ökologische Tagebuch umschließt den Zeitraum von Januar 2006 bis Juli 2007 und widmet sich neben Fleischskandal, Wassermangel und dem Versagen der Weltklimakonferenz gleichfalls dem Problem der uneingedämmten Weltbevölkerungsexplosion sowie daraus abzuleitenden Prognosen. Auch Kritik an tagespolitischer Beliebigkeit bleibt nicht aus. So an Bundesagrarminister Horst Seehofer, dessen Rücknahme der von Rot-Grün schüchtern eingeleiteten "Agrarzeitenwende" zu einem leergefegten Biomarkt führt, weil Landwirten vom CSU-Vize jeder Anreiz genommen wird, auf Bio-Betrieb umzustellen.

Unermüdlich für die Bewahrung der Schöpfung

Abrundend folgt ein Blick in die Bücherwelt. Das Spektrum reicht von "Mao, das Leben eines Mannes - Das Schicksal eines Volkes" über eine Analyse der deutschen Sektionen von Greenpeace und der Umweltstiftung WWF ("Von Regenbogenkriegern und Anwälten der Natur") bis zu Al Gores "Eine unbequeme Wahrheit". Nicht zu vergessen auch Kurt Biedenkopf, dessen Buch "Die Ausbeutung der Enkel. Plädoyer für die Rückkehr zur Vernunft" schon auf die Intentionen Herbert Gruhls anzuspielen scheint, dessen Buchindex das Jahrbuch abschließt. Die Bewahrung der Natur steht als unverzichtbare Prämisse einer für das Schöpfungsexperiment Mensch lebbaren wie lebenswerten Zukunft außer Zweifel. Die Protagonisten von "Naturkonservativ" tragen zum Verständnis bei, weshalb dem so ist.

Herbert-Gruhl-Gesellschaft (Hrsg.): Naturkonservativ 2007. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2007, broschiert, 133 Seiten, 14,80 Euro Mehr im Internet: www.naturkonservativ.de 


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