© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Die Grundlage der Privatautonomie
Wirtschaftswissenschaft: Das Eigentum ist eine entscheidende Institution, die die individuelle Freiheit sichern hilft
Klaus Peter Krause

Ohne Eigentum ist alles nichts. Auch so hätte der Haupttitel des Buches lauten können. Doch ist der Satz immerhin die Überschrift zu einem der vielen Einzelbeiträge von 93 Autoren geworden. Der Nationalökonom Hans D. Barbier schreibt einleitend über den "Dreiklang des Bürgerrechts" in der Formulierung von John Locke: Leben, Freiheit und Eigentum. Politisch ungefährdet seien diese drei nie gewesen: "Wenn das Eigentum fällt, so muß der Bürger nach." Barbier beendet den Beitrag mit einem Zitat von Mark Twain: "Keines Mannes Leben, Freiheit und Eigentum sind sicher, solange die Legislative ihre Sitzungsperiode hat."

Gegenmittel gegen die volle Herrschaft des Marktprinzips

Ernst-Wolfgang Böckenförde sieht "Haus und Hof" als Lebensform, Sozialstruktur und Ausdruck einer bestimmten Eigentumskultur permanent gefährdet - aber merkwürdigerweise nicht vom Staat, sondern vom "Marktprinzip". Dies sei für den Umgang mit Grund und Boden unangemessen und in seinen Wirkungen zerstörerisch. Der Ex-Verfassungsrichter hält es für nötig, "ein Gegenmittel gegen die volle Herrschaft des Marktprinzips im Grundstücksverkehr aufzubauen". Damit soll "dem institutionellen Eigentum als Grundlage für Haus und Hof" ein eigener Lebensraum erhalten bleiben. Sehr stark streicht er die Sozialpflichtigkeit des Eigentums heraus.

Für Michael Stürmer sind Aufstieg und Niedergang des Eigentums aufs engste verbunden mit Aufstieg und Niedergang des Bürgertums: "Mit dem Eigentum geht es um die Zukunft der Freiheit." Das Grundgesetz schütze zwar das Eigentum im Prinzip, sei jedoch machtlos gegen "den sauren Regen, den der unaufhaltsam wachsende Daseinsvorsorge- und Umverteilungsstaat Tag und Nacht" darübergieße. Dadurch, daß das Grundgesetz "eine nach oben offene Sozialpflichtigkeit des Eigentums" postuliere und seit mehr als einer Generation auch im Mahnen der Umwelterhaltung den Zugriff zum Würgegriff verdichte, fördere es die Erosion der vorletzten Bastion, die die Freiheit habe: die des Eigentums. Die letzte Bastion der Freiheit sei die Menschenwürde, so der bis 2003 in Nürnberg lehrende Historiker.

Ex-Bundesbauminister Dieter Haack (SPD) unterstreicht zwar wie Böckenförde die Gemeinwohlorientierung des Privateigentums, hält aber den Markt gegenüber "dem Plan" beim Bewältigen von Knappheiten für überlegen. Berthold Leibinger meint aus Unternehmersicht: "Was zutiefst nicht begriffen wird, ist, daß die 'Selbstverwirklichung' der Eigentümer-Unternehmer mit Vorteilen für das Gesamte verbunden ist. Und daß man die Effizienz vor Neidgefühle stellen sollte." Eigentum bleibe Eigentum, ob es erworben, geschenkt, gefunden oder durch glückliche Spekulation erworben worden sei.

Nach Ansicht des Historikers Paul Nolte sollte der Staat die Eigentumsrechte stärken und fördern, "also die Bürger als marktfähige und selbstverantwortliche Individuen stärken" - so auch zum Beispiel in der eigenen Zukunftsplanung, in der privaten Vorsorge für das Alter. "Wer eigene Ansprüche bildet, wird mit diesen Ansprüchen sorgfältiger, ehrgeiziger, durchaus auch: profitorientierter umgehen als jemand, der abstrakt kollektivierte Ansprüche im Bedarfsfall einlösen kann." Nur im Notfall solle der Staat mit unmittelbarer Unterstützung eingreifen.

Auch das öffentliche Nationalvermögen bewahren

Der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger bietet Perspektiven volkskundlicher Hausforschung. Für ihn strahlt "die Eigentumssicherheit beziehungsweise die Eigentumserwartung auf die gesamte Lebensweise aus". Auch die Art der Vererbung, die handfeste wirtschaftliche Folgen habe, beeinflusse den gesamten Lebensstil. Ob Kurt Biedenkopf aus Gemeinwohlgründen staatliche Eingriffsmöglichkeiten auch in eigentumsähnliche Rentenansprüche nicht ausschließen mag, Klaus Töpfer die Notwendigkeit sicherer Eigentumstitel für Entwicklungsprozesse erklärt, ob sich Hans-Jürgen Papier zur Entschädigung bei Enteignungen äußert, Franz-Xaver Kaufmann Verbindungen zwischen Wohneigentum und Kindern herstellt oder ob Dankwart Guratzsch den städtischen Mittelstand und mit ihm die Stadt schrumpfen sieht - alles steht im Bezug zur Institution Eigentum.

Eigentum bringt Unabhängigkeit und Freiheit für den Einzelnen sowie Stabilität für das Gemeinwesen. Beides ist gleichermaßen wichtig: daß die Bürger nicht nur ihr privates Eigentum schützen und pflegen, sondern auch das öffentliche Nationalvermögen und damit zugleich ihr - in Deutschland unterentwickeltes - Nationalgefühl stärken, konstatiert der Unternehmer Reinhold Würth. Unwahrhaftig aus dem Rahmen fällt allerdings Wolfgang Schäuble. Der ehemalige CDU-Chef preist das Eigentum und findet gleichwohl nichts dabei, abermals die Tatsachen zu verschleiern, um die Nichtrückgabe des Eigentums nach der deutschen Wiedervereinigung zu rechtfertigen, das Opfern politischer Verfolgung in der sowjetischen Besatzungszeit 1945 bis 1949 weggenommen worden ist.


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