© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Markige Sprüche reichen nicht
Umweltpolitik: Die UN-Klimakonferenz hat die Erwartungen nicht erfüllt / Problem Bevölkerungswachstum
Volker Kempf

Ginge es allein nach der Sonnenaktivität, würde es auf der Erde derzeit kälter. Die momentane Klimaerwärmung wird daher vom Weltklimarat (IPCC) auf menschliche Aktivitäten zurückgeführt. Seit Beginn der Industrialisierung stieg der Kohlendioxidgehalt (CO2) in der Atmosphäre um 30 Prozent an. Das soll die Erderwärmung zusammen mit Gasen wie Methan (CH4) aus der Viehwirtschaft bewirkt haben, so die Mehrheitsauffassung unter Klimaforschern.

"Die Wissenschaft hat die Ziele vorgegeben", erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der UN-Klimakonferenz auf Bali. Bis 2050 müsse der Treibhausgas-Ausstoß um 50 Prozent gegenüber 1990 abnehmen, bis 2020 um 20 Prozent. Das bedeute für die Industrieländer eine Reduktion zwischen 30 und 80 Prozent. Das waren gegen die USA nicht durchsetzbare Forderungen. Aber es mußte auf Bali ein Abschlußdokument mit Zielen zur Treibhausgasminderung für Industrieländer erreicht werden, um eine Grundlage für ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Klimaprotokolls 2009 in Kopenhagen zu haben.

Erhalt der Tropenwälder als Beitrag zum Klimaschutz

Das Abschlußdokument verzichtet weitgehend auf Zahlenangaben. Auf Drängen der EU wurde die Bemerkung untergebracht, daß die globalen CO2-Emissionen laut IPCC bis 2020 um 25 bis 40 Prozent und bis 2050 um mehr als 50 Prozent zurückgehen müssen, um eine gefährliche Erderwärmung abzuwenden. Ob das mehr als ein Hinweis sein soll, diese Frage bleibt offen, obwohl "starke Verringerungen der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen erforderlich sind". Einigkeit bestand zwischen den Umweltministern, den Erhalt der Tropenwälder als Beitrag zum Klimaschutz anzuerkennen. Beim Technologietransfer für globalen technischen Klimaschutz blieben Differenzen vor allem zum wirtschaftlich bedeutsamen Patentrecht. Am Rande der Konferenz auf Bali versprachen die 40 größten Städte der Welt, ihren CO2-Ausstoß bis 2050 um 60 bis 80 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.

Die USA haben sich vom Abschlußdokument bereits wieder distanziert, weil ihnen ein klarer Beitrag der Schwellenländer fehlt. Aber selbst wenn 2009 in Kopenhagen ein Klimaschutzprotokoll ratifiziert würde, würden sich Erfolge für das Klima damit noch nicht einstellen. Gabriel selbst, der auf Bali fordernd auftrat, bekam letztes Jahr aus Brüssel einen Blauen Brief, weil Deutschland seine Klimaschutz-Hausaufgaben nicht machte. Deutschland steigerte von 2005 auf 2006 seinen CO2-Ausstoß um 0,6 Prozent. Die anderen westlichen Industrie- und früheren Ostblockstaaten verursachten für die Zeit 2004 bis 2005 im Schnitt 2,6 Prozent mehr CO2-Emissionen.

Das Schlagwort vom Klimaschutz ist zwar seit bald zwei Jahrzehnten in aller Munde. Daß die Plünderungsmaschinerie aber nicht zu stoppen und die Wissenschaft in ihren Dienst gestellt wird, daran hatte schon Friedrich Georg Jünger in seinem 1939 fertiggestellten und nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichten Buch "Die Perfektion der Technik" keine Zweifel. Die vielen Mißerfolge der Klimaschutzpolitik fügen sich dem nur bestätigend an.

Der seit den 1970er Jahren intensiv geführte Umweltdiskurs hat zwar bewirkt, daß auch umweltschonende und energieeffiziente Technologien forciert werden. Diesen Kurs beizubehalten, halten auch die USA für wichtig. Aber reicht das aus? Offenbar nicht. Denn die Plünderungen von Rohstoffen, von fossilen Energieträgern, der Fischbestände und die Vernichtung von Regenwäldern sind fortgeschritten, ebenso nahm der weltweite CO2- und CH4-Ausstoß zu.

Die Wirtschaft der Schwellenländer wie China und Indien wächst, was den weltweiten Energie- und Rohstoffbedarf deutlich erhöhen muß. Die Zahl der Menschen nimmt ebenfalls zu, bis 2050 auf etwa neun Milliarden. So viele Menschen wollen versorgt sein und haben materielle Ansprüche, die sie an denen der US-Amerikaner und Europäer orientieren. Daß der CO2-Ausstoß in Deutschland seit 1990 insgesamt abnahm, geht auf die komfortable Situation zurück, daß die Bevölkerung dort nicht mehr wächst und die energie­intensive Wirtschaft nur geringfügig. Vor allem aber konnte Deutschland die einstigen CO2- und Schwefeldioxidschleudern aus DDR-Zeiten abstellen, die das Klima, aber vor allem auch den deutschen Wald schädigten. Der Realsozialismus, weltmeisterlich in der Umweltzerstörung, ging zum Glück unter. Aber verschafft das mehr als eine Atempause?

Für konservative Denker alles nicht überraschend

Einige Ökonomen meinen, wenn Schwellenländer wie China und Indien einmal hochindustrialisiert sind, werden sie sauberer wirtschaften, effizienter und nachhaltiger. Aber die Annahme, die genannten Milliardenvölker leben wie EU- oder US-Bürger, macht deutlich: Allein der Autobestand würde sich vervielfachen. Das rechte Maß, wie auf der Erde zukunftsfähig gewirtschaftet werden könnte, ist überschritten. Die Gruppe der Entwicklungsländer (G77/China) lehnte es auf Bali dann auch ab, sich zu einem "meßbaren, meldepflichtigen und überprüfbaren" Klimaschutzbeitrag zu verpflichten, wie die USA bemängeln. Dessenungeachtet werden angesichts der immer schwerer zugänglichen natürlichen Ressourcen die Erdöl-, Gas- und Kohlepreise steigen, was dem hemmungslosen Verfeuern fossiler Brennstoffe entgegenwirkt.

Die Ökonomisierung und Industrialisierung einer wachsenden Weltbevölkerung schreitet erst einmal weiter voran, damit die Plünderung des Planeten und der Ausstoß an Treibhausgasen. Deshalb die immer wiederkehrenden Bilder, es sei "fünf vor zwölf" und die "letzte Ausfahrt" müsse genommen werden, erst in Rio, dann in Kyoto, nun auf Bali. Für konservative Denker kommt das nicht überraschend, weil sie schon immer die Schattenseiten des unbegrenzten technischen Fortschritts im Blick hatten.

Einen bemerkenswerten Vorschlag, um Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen, machte in Nusa Dua der österreichische Umweltminister Josef Pröll von der konservativen ÖVP; er forderte Strafzölle für Länder, die sich 2009 nicht an Klimaabkommen beteiligen. "Es kann auf Dauer nicht sein, daß wir im Klimaschutz Unterschiedlichkeiten zulassen und in der Frage des Handels alles über einen Kamm scheren." Diese Frage müsse daher bei der Welthandelsorganisation (WTO) behandelt werden. "Nur zu sagen, geht ihr einmal vor, wir kommen eh nicht nach, und dann im Wirtschaftsleben sich einen Standortvorteil zu schaffen, muß auch auf einer anderen Ebene thematisiert werden", meinte Pröll mit Blick auf die USA, die mit fünf Prozent der Weltbevölkerung etwa ein Viertel des globalen CO2-Ausstoßes verursachen.

Für die Schweiz forderte der sozialdemokratische Umweltminister Moritz Leuenberger eine globale CO2-Abgabe, für die sich letztes Jahr auch der damalige UN-Generalsekretät Kofi Annan ausgesprochen hatte. Doch das ist ohne Beteiligung der "Klima-Ignoranten" USA, Rußland, China und anderen vollkommen illusorisch.


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