© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Frisch gepresst

Menzel. Das Atlasformat des jüngsten Bildbandes über das Werk der "kleinen Excellenz" Adolph von Menzel (1815-1905), des bedeutendsten deutschen Malers nach Caspar David Friedrich im 19. Jahrhundert, scheint gerade danach zu schreien, prestigeträchtig in der "Kulturtapete" plaziert zu werden, um dort neben anderen bunten Prachtwerken als Staubfänger zu enden. Aber von solcher Mißachtung ist bei Michael Frieds "Menzels Realismus" (Kunst und Verkörperung im Berlin des 19. Jahrhunderts. Wilhelm Fink Verlag, München 2007, gebunden, 344 Seiten, durchgehend illustriert, 39,90 Euro) dringend abzuraten. Denn hier ist das Geschriebene alles andere als bloßer "Begleittext". Der in den USA lehrende Fried, einer der renommiertesten Kunsthistoriker weltweit, breitet in dieser Großstudie die Summe seines Gelehrtenlebens aus, um unter Berücksichtigung der photographischen Kunst, im ständigen Bezug auf Literatur (Fontane natürlich) und - selbstredend auch bei Walter Benjamin einkehrend - Kunsttheorie sowie im Vergleich mit Menzels Zeitgenossen Gustave Courbet und Thomas Eakins die Eigenart  von Menzels Realismus zu erfassen. Diese erkennt er in dessen Bestreben, eine körperliche, sinnliche Beziehung "zwischen dem Menschen und dem Universums der Gegenstände" zu stiften.

 

Gottsched. Der 1700 in Juditten bei Königsberg geborene, 1766 in Leipzig gestorbene Johann Christoph Gottsched, Deutschlands "Spracherzieher" und "Kunstlehrmeister", wurde schon zu Lebzeiten von Lessing vom Podest gestoßen. Geblieben ist der "große Name" und sein weitverzweigtes Werk als Gegenstand germanistischer Spezialarbeiten. Ein breiteres Publikum wußte erst Jürgen Mantheys "Königsberg - Geschichte einer Weltbürgerrepublik" (JF 28/05) wieder für einen zeitgerecht aufgeputzten, mit der historischen Gestalt kaum in Einklang zu bringenden "Kosmopoliten" und Preußen-Kritiker Gottsched zu interessieren. Auf solcherlei Aktualisierungsübungen kann der von Manfred Rudersdorf edierte, schön ausgestattete Band "Johann Christoph Gottsched in seiner Zeit" (Neue Beiträge zu Leben, Werk und Wirkung. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 2007, gebunden, 442 Seiten, Abbildungen, 128 Euro) natürlich verzichten. Er thematisiert vielmehr die zeithistorischen Voraussetzungen der bis ins 20. Jahrhundert stetig abnehmenden "Wirkung" des Meisters, und darum ist es Rüdiger Ottos Studie über "postume Bildnisse und Beurteilungen", die sich zum Einstieg in diese jüngsten Ergebnisse der Gottsched-Forschung am besten eignet.


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