© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Das Imperium bricht zusammen
Dollarkrise: Der Präsidentschaftsbewerber Ron Paul deckt die Schwächen der USA-Politik schonungslos auf
Markus Schleusener

Ende November gab es erstmals für einen Euro über 1,48 Dollar - vor sieben Jahren waren es lediglich 82 US-Cent. Vor fünfzig Jahren erhielt man (von D-Mark umgerechnet) nur knapp 47 US-Cent. Der Dollar hat seit 1971 (seiner Lösung vom Goldstandard) 90 Prozent seiner Kaufkraft verloren (JF 45/07). Der Sturzflug der US-Währung betrifft die ganze Weltwirtschaft. Der Airbus-Chef Thomas Enders zum Beispiel mußte seinen Mitarbeitern in Hamburg die ganze traurige Wahrheit mitteilen, als er Ende November vor seine Belegschaft trat. Jeder Cent Dollarabwertung kostet den europäischen Flugzeugbauer hundert Millionen Euro. "Das ist lebensbedrohlich", so Enders.

Der kontinuierliche Wertverfall des Greenback, in dem zwei Drittel der weltweiten Währungsreserven gehalten werden, kommt nicht unerwartet. Jahrzehntelang lebten die US-Amerikaner auf Pump. Allein in diesem Jahr wird das US-Handelsbilanzdefizit voraussichtlich über 700 Milliarden Dollar betragen. Doch die US-Regierung genoß überall Kredit und finanzierte durch immer neue Schulden ihre Auslandsabenteuer und den extensiven Konsum: Der Irak- und der Afghanistan-Krieg haben Kosten verursacht, die pro Haushalt mehr als 20.000 US-Dollar ausmachen. Die Verschuldung der Privathaushalte ist unter George W. Bush von 7,6 Billionen (2001) auf 13,3 Billionen (2007) US-Dollar gestiegen. Jetzt, da die Immobilienblase platzt, können viele Kredite nicht mehr bedient werden. Exportvizeweltmeister China besitzt Dollar-Reserven von über 1,3 Billionen, die kontinuierlich an Wert verlieren.

Ron Paul, republikanischer Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus und Präsidentschaftsbewerber, gehört zu den wenigen Politikern, die den Ernst der Lage schon früh erkannten. "Die künstliche Nachfrage nach unserem Dollar, verknüpft mit unserer militärischen Macht, hat uns in die einzigartige Position versetzt, die Welt beherrschen zu können, ohne selbst produktiv zu arbeiten, zu sparen und unseren Konsum oder unsere Verschuldung zu begrenzen. Das Problem ist: So kann es nicht weitergehen", warnte der 72jährige Texaner am 15. Februar 2006 bei einer Rede im Kongreß.

"Die Preisinflation erhebt ihr häßliches Haupt, und die Blase an der Nasdaq-Börse, welche aus schnellem Geld produziert wurde, ist geplatzt. Genauso geht der Immobilienbörse die Luft aus." Im Sommer dieses Jahres bestätigten sich bekanntlich seine Warnungen (JF 34/07). Als Libertärer geißelt Paul die Inflationspolitik: "Mit der Zeit lernten Regierungen, mehr auszugeben, als sie einnahmen. Neue oder höhere Steuern erregten das Mißfallen des Volks, so daß es nicht lange dauerte, bis Könige und Kaiser lernten, wie sie ihre Währungen inflationieren konnten - indem sie den Goldgehalt der Münzen reduzierten und dabei glaubten, ihre Untertanen entdeckten den Betrug nicht."

Paul griff sogar auf den Niedergang des Römischen Reiches zurück: "Es ist ein unbestreitbarer Vorteil für uns, wertvolle Güter einzuführen und dafür im Wert verfallende Dollars zu exportieren. Die Exportnationen sind in ihrem Wachstum von unseren Käufen abhängig geworden. Diese Abhängigkeit macht sie zu unseren Verbündeten im fortgesetzten Betrug, und ihre Teilhabe an diesem hält den Wert des Dollar künstlich hoch. Sollte dieses System noch über lange Zeit funktionieren, müßten die US-Bürger nie mehr arbeiten. Genau wie die Römer könnten auch wir 'Brot und Spiele' genießen. Aber denen ging schlußendlich das Gold aus, und Roms Unvermögen, die eroberten Länder weiter auszuplündern, führte zum Zusammenbruch seines Imperiums."

Paul spricht offen aus, was außerhalb der USA schnell als antiamerikanisch angesehen wird: Wer aus dem "Dollar-Sys­tem" auszubrechen versucht, der wird bekämpft. "Das ist auch der Grund, weshalb Länder, die dieses System herausfordern - wie der Irak, Iran oder Venezuela -, ins Visier unserer Umsturzpläne geraten", so Paul. Mit seinen radikalliberalen Ideen ist er zwar bislang ein Außenseiter, aber kein chancenloser Kandidat. Paul hat zwei Hauptargumente: Er war immer gegen den Irak-Krieg, und er hat stets gegen Steuererhöhungen gestimmt. Auch gegen Internetzensur und den Überwachungsstaat (Patriot Act) kämpft der Antikandidat leidenschaftlich. Es gibt nichts, wofür er eintritt, sondern nur dezidierte Gegenpositionen. Diese urkonservative Einstellung kommt an bei vielen Amerikanern, die davon ausgehen, daß alle Politiker korrupt sind. Einer seiner Anhänger sagt in einem Video: "Er ist der richtige Kerl. Er ist gegen die Regierung, gegen Besteuerung, für persönliche und wirtschaftliche Freiheiten."

Paul versucht sich als wahrer Erbe Reagans darzustellen, was ein fester Bestandteil des Katechismus der Republikaner ist. Die "Paulistas" verbreiten ein altes Schwarzweiß-Foto von 1976, das Paul und den damaligen Präsidentschaftskandidaten zeigt. Die Bildunterschrift besagt, Ron Paul sei einer der ersten Reagan-Unterstützer gewesen.

Der Kandidat Paul paßt der Parteiführung ganz und gar nicht ins Konzept. Eigentlich galt der Ex-Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, als so gut wie nominiert. Er deklassiert alle Mitbewerber wie Mit Romney, Fred Thompson oder John McCain. Auch hierzulande verbreiten die Medien diese Botschaft seit Monaten. Aber vielleicht kommt es doch ganz anders. "Warte nicht auf den Spiegel, die Süddeutsche, die Zeit oder auf einen Fernsehbeitrag, informiere dich selbst über Ron Paul", lautet der gute Rat eines der vielen deutschsprachigen Ron-Paul-Videos, die auf Youtube zu sehen sind.

Dort, im Netz, hat Paul seine Anhängerschaft rekrutiert, und er führt vor allen anderen Kandidaten - vor allem bei jungen Wählern. In traditionellen Umfragen ist die Kassandra Paul jedoch abgeschlagen. Kein Wunder bei solchen Prognosen: "Das Chaos, welches unser 35jähriges weltweites Experiment mit einer ungedeckten Papierwährung nach sich zieht, wird eine Rückkehr zu einem Geld mit realem Wert erzwingen. Dieser Tag rückt näher, wenn die erdölproduzierenden Staaten für ihr Öl Gold oder einen vergleichbaren Wertträger anstatt Dollar und Euro verlangen."

Ron Pauls Rede "The End of Dollar Hegemony" im Internet: www.house.gov/paul/congrec/congrec2006/cr021506.htm (deutsch: www.flegel-g.de/rede-ron-paul.html)

US-Wahlkampfseite: www.ronpaul2008.com


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