© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Unbequeme Aufbauarbeit
Polen: Weihnachtsaktion der AGMO in Oder-Neiße-Gebieten soll Deutschkenntnisse fördern / Auf Spendengelder dringend angewiesen
Martin Schmidt

Die AGMO hat sich diesmal ein besonderes Weihnachtsgeschenk für heimatverbliebene Deutsche ausgedacht: Ausgewählten örtlichen Gruppen sollen Spenden zur Durchführung von Sprachwettbewerben nach dem Muster des Weihnachtsliederwettbewerbs im schlesischen Laband (Łabędy/seit 1964 Stadtteil von Gleiwitz) oder des Rezitationswettstreits im pommerschen Plathe (Płoty) zufließen. Die AGMO - Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen, so der vollständige Name - folgt damit ihrer Überzeugung, daß die Förderung der Muttersprache im historischen Ostdeutschland bei der Minderheitenförderung Vorrang genießen sollte.

Gegründet zu Beginn der achtziger Jahr in den Reihen der Schlesischen Jugend, entfaltete die AGMO ihre Aktivitäten zunächst unter dem Namen Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland. Vorsitzender ist bis heute der im oberschlesischen Hindenburg (Zabrze) geborene Peter Oprzondek. Das wichtigste Betätigungsgebiet ist Schlesien, wo es in Groß Strehlitz (Strzelce Opolskie) ein eigenes Koordinationsbüro gibt. Man unterhält enge Verbindungen zu Ortsgruppen des Deutschen Freundschaftskreises (DFK), bei denen das altersbedingte Ausscheiden der Erlebnisgeneration nicht zu Resignation und Identitätsschwund geführt hat, sondern zur Übernahme der Verantwortung durch unbeugsame Vertreter der jüngeren Bekenntnisgeneration. Gegenüber den politischen Repräsentanten der deutschen Minderheit, etwa dem früheren Sejm-Abgeordneten Henryk Kroll, hält die AGMO bewußt Distanz, zumal die Erfahrung der vergangenen anderthalb Jahrzehnte gezeigt hat, daß auf dieser Ebene praktisch keine Erfolge erzielt wurden.

Die AGMO beklagt aber nicht nur das Fehlen bzw. den unzureichenden Umfang des muttersprachlichen Deutschunterrichts und die mangelnden Möglichkeiten zur Benutzung der Muttersprache bei der Verwaltung und vor Gericht, sondern trägt selbst zur Verbesserung der Lage bei. Kinderweihnachtsfeiern zur Belohnung nachwachsender Aktivisten des DFK, die in Chören, Volkstanzgruppen oder Blaskapellen das gemeinschaftliche Kulturleben bereichern, zählten ebenso zum regelmäßigen Förderprogramm wie die Ausstattung von DFK-Büros und Kulturhäusern, die Unterstützung identitätsstiftender Denkmäler, humanitäre Hilfen sowie die systematische Überprüfung der politischen Rahmenbedingungen.

Letzteres mündete beispielsweise in einer umfragegestützten Bewertung der polnischen Volkszählung von 2002, die für die deutsche Volksgruppe mit nur 152.900 Bekennern enttäuschend verlief. Die AGMO machte dafür nach Auswertung einer Fragebogenaktion in DFK-Kreisverbänden und Ortsgruppen unter anderem gewollte und ungewollte Manipulationen der Staatsorgane sowie fortbestehende Ängste unter den heimatverbliebenen Ostdeutschen verantwortlich.

Wie die November-Ausgabe des Informationsdienstes AGMO-Intern berichtet, wurden Ende August die Ergebnisse einer großangelegten Studie veröffentlicht. Thema ist der muttersprachliche Deutschunterricht an Kindergärten und Grundschulen in der Republik Polen. Auf der Grundlage von Angaben aus 200 deutschen Vereinigungen in den Oder-Neiße-Gebieten stellt die 46seitige Studie fest, daß es - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - noch immer keine deutschen oder zumindest bilingualen Kindergärten und Grundschulen gibt, obwohl die Wege für den muttersprachlichen Deutschunterricht durch den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991, die polnische Bildungsverordnung von 2002 sowie das im Mai 2005 in Kraft getretene Minderheitengesetz grundsätzlich geebnet worden seien.

Neben nicht ausreichender ideeller und finanzieller Förderung durch Deutschland und Polen sei "ein Versagen der politischen Führungsebene der deutschen Volksgruppe sowie der beim VdG (Verband der deutschen Sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen) angesiedelten deutschen Bildungsgesellschaft für die katastrophale sprachliche Situation mitverantwortlich. Mit in der Regel drei, manchmal vier Wochenstunden Deutschunterricht, der oftmals erst in höheren Schuljahren angeboten wird, sind die deutsche Sprache und damit verbunden die deutsche Identität kaum zu festigen bzw. wiederzugewinnen", heißt es in AGMO-Intern weiter.

Derartige Veröffentlichungen passen nicht ins offizielle Bild deutsch-polnischer Zusammenarbeit, die sich allzu oft an Wunschbildern ausrichtet oder an einer nachhaltigen Unterstützung heimatverbliebener deutscher Bevölkerungsgruppen überhaupt kein Interesse hat. So ist es wenig verwunderlich, daß die AGMO nach anfänglicher Unterstützung durch das bundesdeutsche Innenministerium etwa für die Einrichtung "Deutscher Ecken" in Kindergärten längst keine staatlichen Fördergelder mehr bekommt. Ihre erklärten Arbeitsschwerpunkte "deutsche Sprache und Kultur" sind offenbar nicht förderungswürdig. So sind Oprzondek und seine Mitstreiter ganz auf private Spenden angewiesen. Eine unbequeme Ausgangsposition, die jedoch den unschätzbaren Vorteil hat, daß die AGMO ihre idealistische Aufbauarbeit zugunsten deutscher Landsleute frei von äußeren Einflüssen umsetzen kann.

AGMO e. V., Budapester Str. 19, 53111 Bonn, Tel.: 0228 / 63 68 59, www.agmo.de

AGMO-Spendenkonto: 22 666 11 00, BLZ 370 800 40, Dresdner Bank Bonn


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen