© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Rettung in letzter Minute
Woltersdorf bei Berlin: Dank einer Privatinitiative wird ein vom Künstler Fidus geschaffenes, stark gefährdetes Gefallenendenkmal gesichert
Sara Melchert

Von allen Seiten strömten die Bewohner des Ortes, kamen die Vereine herbei, um durch ihre Anwesenheit ihren Dank denen zum Ausdruck zu bringen, welche die Treue zum Vaterlande mit ihrem Sterben besiegelt hatten." So beschrieb ein Beobachter 1926 die Einweihung des Denkmals für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Woltersdorfer: ein über drei Meter hohes, etwa sechs Meter langes Monument, auf dem drei Sandsteinplatten angebracht sind, die durch zwei mächtige, aus Steinquadern gemauerte Eckpfeiler und zwei kleinere Mittelsäulen voneinander abgegrenzt werden. Gekrönt wurde die Anlage durch eine Erdkugel, die ein Kreuz trägt.

Heute bietet sich dem Besucher ein anderes Bild. Der kleine Park, in dem das Denkmal einst stand, existiert nicht mehr, das Denkmal selbst ist eine Ruine. Seit dem Einmarsch der Sowjets und die ganze DDR-Zeit hindurch war es dem Verfall preisgegeben. Nach der Wende änderte sich trotz zahlreicher Anstrengungen von Privatpersonen nichts, weil die Eigentumsverhältnisse des Grundstücks nicht geklärt sind. Vor schlimmeren Demolierungen wurde es nur durch einen Zaun geschützt, der das zugewachsene und verwilderte Gelände umgibt. Der Regen, der ungehindert durch das Mauerwerk dringen kann, wusch die drei Platten bis zur Unkenntlichkeit aus. So sind die beiden äußeren Reliefplatten mit den 83 gefallenen Woltersdorfern sowie die große Mittelplatte mit dem kunstvoll gestalteten Relief kaum noch zu erkennen.

Dabei hat die mittlere der drei Platten nicht lediglich einen Wert als Erinnerungsstätte, sondern ist darüber hinaus neben einer Grabplastik das einzig erhaltene Zeugnis des bildhauerischen Schaffens des Jugendstilkünstlers und Lebensreformers Fidus (1868-1948), dessen Kunst sich seit der Jahrhundertwende ungemeiner Beliebtheit erfreute und der ab 1909 bis zu seinem Tod in Woltersdorf lebte. Sein bekanntestes Werk, das "Lichtgebet", hing vor 1914 als Druck in unzähligen Haushalten.

Fidus schenkte der Gemeinde 1926 das Relief für die Gefallenen. Noch vor einigen Jahren war der in die Knie gesunkene, von fünf Pfeilen als Sinnbild für alle Waffen getroffene, mit letzter Kraft das Schwert haltende Krieger recht gut zu erkennen. Man sah die Walküre, die kommt, um den verwundeten, den sterbenden Soldaten zu stützen, sein Leid zu lindern, ihn zu geleiten von der Schwelle des Lebens ins Reich des Todes, nach Wallhall. Vor allem wegen dieses Reliefs wurde das Monument 2004 in die Denkmalliste Brandenburgs aufgenommen. Doch selbst dann geschah nichts.

Jetzt konnte der Woltersdorfer Verschönerungsverein einen kleinen Erfolg seiner zähen Bemühungen vermelden: Der Landkreis Oderspree gibt 2.500 Euro Fördermittel für die Sicherung des Bauwerks. Zum Schutz vor Regen wird es überdacht und das Gelände beräumt. Da das Geld nicht reichen wird, ist Eigeninitiative gefragt: Die Feuerwehr, ein ortsansässiger Containerdienst und hoffentlich viele weitere packen mit an. Ob es ihnen darum geht, lediglich den Ort zu verschönern, ein kunsthistorisch wertvolles Relief zu retten oder den Gefallenen wieder eine angemessen Form der Erinnerung angedeihen zu lassen, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist: Es geschieht etwas.

Fotos: Ehrenmal im brandenburgischen Woltersdorf: Durch Witterungseinflüsse stark beschädigt; Mittlere Platte: Das einzig erhaltene Zeugnis


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