© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/07 07. Dezember 2007

Neue ARD-Serie "Geheimnis Geschichte": Die Konkurrenz der Geschichtsformate
Kein Kampfprogramm
Felix Krautkrämer

Wie ein Krimi soll Geschichte künftig den deutschen Fernsehzuschauern in der ersten Reihe präsentiert werden. "Modern und spannend aufbereitet", aber dennoch "seriös", schwärmt die zur Bavaria Film Gruppe gehörende Firma Ottonia Media in einer ihr neuestes Produkt ankündigenden Pressemitteilung. "Geheimnis Geschichte", so der Titel der neuen Geschichtssendung, die am 12. Dezember um 23.30 Uhr in der ARD anläuft. Moderiert wird sie vom Nachrichtenmann Thomas Kausch, der unter anderem auch für das ZDF, Sat.1 und Arte tätig war und ist.

Daß das Interesse der Zuschauer an Geschichte riesig sei, wisse man schon lange, so Kausch. Er selbst habe immer ein Buch mit historischen Themen auf dem Nachtisch. Die ARD wolle Geschichte aber nun einmal anders präsentieren: "frisch, modern, aber zugleich seriös recherchiert".

Interessant ist jedoch, daß der ursprüngliche Sendestart für Sonntag, den 9. Dezember geplant war: im Spätprogramm um 23.30 Uhr und das in Zukunft vielleicht regelmäßig.

Just zur selben Sendezeit läuft im Zweiten Deutschen Fernsehen Guido Knopps "ZDF-History". Dieser legt ja bekanntlich auch Wert darauf, daß seine Formate frisch und modern sind. Ein Schelm, wer nun vermutet, Kauschs Betonung, die ARD recherchiere seriös, sei ein kleiner Seitenhieb auf den Kollegen Knopp. Dessen neueste fünfteilige Dokumentation "Die Wehrmacht - eine Bilanz" fand, da eher modern denn seriös, nicht überall Beifall und verfehlte auch die avisierte große Zuschauer-
gunst. Dabei verkündete Knopp in einem Interview mit der Welt noch vollmundig, manche Erkenntnisse seiner Dokureihe erlaubten "einen neuen Blick auf die gesamte Wehrmachtsgeschichte".

Was an der Serie neu ist, vermag Professor Knopp freilich nicht zu vermitteln. Schließlich folgt sie, wie Knopp gegenüber der Tageszeitung Welt bekannte, der "Kernaussage" der Wanderausstellung "Verbrechen der Wehrmacht", nämlich daß "die Wehrmacht" in Verbrechen verstrickt war, und zwar "in ungleich größerem Maße ... als es in der unmittelbaren Reflexion der ersten Nachkriegsjahrzehnte gesehen wurde und auch von der Kriegsgeneration gesehen werden wollte".

Auf jeden Fall sei der gleiche Sendetermin keine "Kampfprogrammierung", versicherte zumindest der ARD-Sprecher Burchard Röver gegenüber der Nachrichtenagentur AP.

Damit nun aber bei den beiden konkurrierenden öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht so etwas wie ein Familienzwist ausbricht, rang sich die ARD dazu durch, zumindest die ersten Folgen von "Geheimnis Geschichte" zu einer veränderten Sendezeit, nicht sonntags, auszustrahlen. So könne man glaubwürdig dem Vorwurf entgegentreten, es handle sich um ein Konkurrenzprojekt. Wobei die ARD den Vorwurf der Konkurrenz selbst provozierte, indem sie den ursprünglichen Sendetermin wählte und ihr Sprecher Röver jegliche Konkurrenzabsichten bestritt, als eigentlich noch niemand an Konkurrenz dachte.

Wie auch immer: Für mediale Aufmerksamkeit, was immerhin die beste Werbung für das Geschichtsprojekt der ARD gewesen wäre, hat auch dies nicht gesorgt. Das Interesse an Kauschs Geschichtsdokumentation hält sich bislang jedenfalls in Grenzen.

Das mag vielleicht auch an den geplanten Themen liegen. So beschäftigt sich die erste Folge mit der "aktuellen Diskussion", nach der jeder vierte Deutsche der Meinung sei, der Nationalsozialismus hätte auch gute Seiten gehabt wie beispielsweise die "Wertschätzung der Mutterrolle und die Förderung der Familie", so die ARD in einer Pressemitteilung. "Geheimnis Geschichte" wolle dagegen zeigen, wie das Bild der Mutter und die Familienpolitik unter Hitler tatsächlich aussah: "Welche Ziele  verfolgten die Nazis wirklich?"

In der zweiten Folge wolle man sich ebenfalls einem Thema aus dem "Dritten Reich" widmen: "Weihnachten 1945 -  was wollten die Sieger?"

Themen also, die bereits durch den Geschichtenerzähler Knopp ("Hitlers Helfer", "Hitlers Kinder", "Hitlers Frauen") zur Genüge behandelt werden.

Aber Kausch will Geschichte ja seriös recherchieren. Inwieweit ihm das zu Themen des Nationalsozialismus in einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt gelingt, bleibt allerdings abzuwarten.

Schließlich hat der Fall Eva Herman einmal mehr deutlich gezeigt, daß die ARD beziehungsweise der zu ihr gehörende Norddeutsche Rundfunk sich bisweilen eher den zeitgeistigen Regeln der Political Correctness denn der historischen Wahrheit verpflichtet fühlt.


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