© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/07 07. Dezember 2007

Steven Patrick Morrissey kritisierte die Einwanderung und löst einen Eklat aus
England verschwindet
Michael Hofer

Popstar will wegen Einwanderungsexplosion nicht mehr in England leben", mit Schlagzeilen wie diesen schockten die Medien letzte Woche das politisch korrekte England. "Großbritannien ist ein negatives Land ... je höher der Zustrom nach England ansteigt, um so mehr verschwindet die britische Identität." Mit diesen Worten im New Musical Express hat einer der beliebtesten Popmusiker der Insel, der 48jährige Steven Patrick Morrissey, in England eine neue Rassismusdebatte ausgelöst. Das alte England sei "nur mehr eine Erinnerung ... Traurig, daß wir soviel verloren haben." Der Preis, den England bezahlt habe, sei "enorm": Wenn er durch die Straßen gehe, höre er "jeden Akzent unter der Sonne, nur keinen britischen".

Der 1959 als Sohn irischer Einwanderer in Manchester geborene Musiker, einst Frontmann der legendären Smiths, die die Independent-Musik der achtziger Jahre maßgeblich prägten, hat politisch nie ein Blatt vor den Mund genommen - ob es gegen Thatcher oder Bush oder für Tierrechte ging. Aber auch patriotische Gefühle hat er gezeigt: Bereits 1992 wurde ihm von der Presse "Rassismus" und "Nationalismus" vorgeworfen, als er sich während eines Konzertes in den Union Jack, die britische Nationalfahne, hüllte.

Dabei hat Morrissey immer deutlich zwischen "rassistischen" Ressentiments und nationalem Selbstbewußtsein unterschieden. In dem 2004 erschienenen Lied "Irish Blood, English Heart" sang er: "Irisches Blut, englisches Herz, daraus bin ich gemacht, und es gibt nichts auf der Welt, vor dem ich mich fürchte, kein Regime, das mich kaufen kann ... Ich habe von einer Zeit geträumt, in der es keine Schande ist, englisch zu sein, in der man zu seiner Fahne stehen kann, ohne sich beschämt, als Rassist oder parteiisch zu fühlen." Folgerichtig hat er sich auch in dem inkriminierten Interview deutlich vom "Rassismus" distanziert, seine kosmopolitische Mentalität betont und verwehrt sich inzwischen gegen die Interpretation, er wolle wegen der Einwanderung nicht mehr in England leben, als aus dem Zusammenhang gerissen.

Deutsche Leser mögen bei folgender Passage die Ohren spitzen: "Während andere Länder ihre grundlegende Identität bewahrt haben, hat England die seine weggeworfen ... Wenn man nach Deutschland reist, ist man in Deutschland, wenn man nach Schweden reist, in Schweden, aber in England weiß man überhaupt nicht mehr, wo man ist." Zwar hat England weder einen Krieg verloren, noch "bewältigt" man Vergangenheit im deutschen Stil, aber eine ethnomasochistische Manie ist auch dort festzustellen und hat Zustände heraufbeschworen, die Deutschland immer noch als Idylle erscheinen lassen.

Immerhin hat Morrissey einen deutschen Vorläufer. Bereits 1982 sang die NDW-Gruppe "Nichts": "Deutsch sein ... Scham für mein Land, Stolz sein ist mir verboten, ich bin hier geboren, mich trifft keine Schuld. Ich sing ein deutsches Lied, und will es keiner hören. Ich sing ein deutsches Lied!"


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