© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

Die Ökonomie muß mehr Rücksicht nehmen
Ökologie-Bewegung: Der französische Umweltpolitiker Antoine Waechter erhielt den diesjährigen Herbert-Gruhl-Preis
Martina Zippe / Hans König

Im Dreiländereck Baden-Basel-Elsaß steht das älteste französische Atomkraftwerk. Dieses 1978 in Fessenheim in Betrieb genommene Centrale Nucléaire de Fessenheim (CNF) sollte 2007 sein letztes Betriebsjahr ableisten. Aber eine Laufzeitverlängerung von zehn Jahren ist vorgesehen. Widerstand formiert sich vor allem in Deutschland und der Schweiz. In Frankreich gibt es ein Bündnis für mehr Sicherheit im CNF (CLS), dem auch deutsche Gemeinden beitreten, vor allem wenn im Rat eine Unionsmehrheit gegeben ist. Dabei wird oft das Argument vorgebracht, dem Trinationalen Atomschutzverband (TRAS) beizutreten, sei undiplomatisch.

In der Tat war bis vor kurzem erst eine kleine Gemeinde im Elsaß dem TRAS beigetreten, denn elsässische Gemeinden erhalten durch das CNF Steuereinnahmen. Wer sich im Elsaß für eine Stillegung des AKWs aber einen Namen gemacht hat, ist ein unabhängiger Ökologe: Antoine Waechter, geboren 1949 in Mülhausen, Mitgründer und Präsidentschaftskandidat der französischen Grünen und Vorsitzender der konservativ-ökologischen Bewegung Mouvement Écologiste Indépendant (MÉI). Der Elsässer erhielt kürzlich von der Herbert-Gruhl-Gesellschaft (HGG) im Rahmen ihrer Jahrestagung in Breisach den Herbert-Gruhl-Preis. Der Name des Umweltschutzpioniers und Atomkritikers Gruhl war mit der CDU verbunden. "Wir haben Leute wie den Ökologen Herbert Gruhl vergrault, weil die Bewahrung der Schöpfung nicht den Stellenwert hatte, wie es schon damals nötig gewesen wäre", gestand kürzlich CDU-Generalsekretär Roland Pofalla in der FAZ ein - was angesichts der Politik seiner Partei gegenüber einer Laufzeitverlängerung für das CNF fragwürdig ist.

Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch den parteilosen Bürgermeister der Europastadt Breisach, Oliver Rein, der die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland in einem historischen Rückblick vergegenwärtigte, erklärte HGG-Chef Volker Kempf: "Sie, Herr Waechter, erhalten nicht nur wegen Ihres couragierten Eintretens gegen das AKW Fessenheim den Preis, sondern auch wegen Ihres darüber weit hinausgehenden Einsatzes, ökologisch fundierte Erkenntnisse in die Politik einzubringen." Denn der promovierte Biologe habe mit Politik immer Ökologie verbunden und diese auch gegen eine Übernahme durch sozialistische Strömungen verteidigt. Nach der parteiinternen Niederlage bei den französischen Grünen gründete er 1994 die MÉI, für die er einige politische Erfolge errang. Dies zeichnete der Laudator Heinz-Siegfried Strelow nach. Waechters Partei gelang der Einzug ins Europaparlament, wie auch die Erringung kommunaler Mandate in Großstädten, darunter Paris. Der Sprung ins Parlament scheitert am Mehrheitswahlrecht. Strelow stellte starke Prallelen zwischen Waechter und Gruhl heraus, da beide den Menschen in seiner Verflochtenheit mit der sonstigen Natur im Blick haben.

Waechter bedankte sich für die Ehrung, erinnerte an die grenzüberschreitenden Umweltbewegungen gegen eine Chemiefabrik in Marckolsheim und gegen das AKW in Wyhl. Die Ökonomie müsse mehr Rücksicht auf Ökologie nehmen. Als aktuelle Herausforderung machte Waechter die weltweite Zunahme materieller Lebensansprüche und die Zunahme der Weltbevölkerung deutlich. Der technische Umweltschutz werde in der Politik einseitig betrieben, könne für sich allein aber nicht genug leisten, um mit den steigenden Energie- und Nahrungsproblemen auf der Erde fertigzuwerden. Die Gefahr, daß der Mensch dem Planeten seine biologische Vielfalt und damit Schönheit raubt, sei akut, ökologische Politik dringender denn je.

In weiteren Tagungsbeiträgen wurden Gruhl und Carl Amery als zwei Vordenker der Ökologiebewegung gewürdigt. Kempf zeichnete die Biographien von Gruhl und Christa Meves nach, die vom "totalitären Zeitalter" gezeichnet seien. Aber nicht nur die totalitären Systeme des Kommunismus und Nationalsozialismus, sondern auch Strömungen mit mindestens totalitären Zügen in der Bundesrepublik Deutschland hätten zu dem geführt, was Albert Schweitzer schon bemerkte: Wer Gutes tun will, wird merken, daß ihm Steine in den Weg gelegt werden. Auch heute noch, im 21. Jahrhundert, sei der Weg für politisches Engagement oft sehr steinig - nicht zuletzt, weil der totalitäre Antifaschismus noch immer gegenwärtig sei. Eine freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie sei es wert, weiter für sie zu streiten.

Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft im Internet: www.herbert-gruhl.de


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