© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

Die einen verdienen, die anderen zahlen
Wirtschaftspolitik: Der Energieausweis erweist sich als ökologisch verbrämtes Beschäftigungsprogramm
Klaus Peter Krause

Die Bautätigkeit ist unverändert. Meldungen über gestiegene Bautätigkeit sind ausgeblieben", klagte der aktuelle monatliche Konjunkturbericht des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB). Die Auftragsbestände im Tiefbau seien rückläufig, im Hochbau unverändert auf niedrigem Niveau, so der ZDB. Doch das könnte sich bald ändern. Denn wenn Hausbesitzer nicht von sich aus die Beschäftigung im Baugewerbe ankurbeln wollen, werden sie eben dazu gezwungen.

Aber wer kann sie zwingen? Das kann nur einer: der Staat. Und der tut es auch. Wie er das macht? Mit einem Energieausweis für jedes Haus. Seit dem 1. Oktober ist ein neues Gesetz in Kraft: die Energie-Einspar-Verordnung 2007 (EnEV). Wer ein Haus verkauft oder wer Wohnungen vermietet, muß Käufern und Mietern einen Energieausweis des betreffenden Hauses "zugänglich machen". Das geht nur, wenn er einen solchen hat. Also ist er gezwungen, sich diesen Ausweis zu beschaffen.

Aber wo und von wem? Nein, nicht bei einer Behörde, sondern von sachkundigen Privatleuten der gewerblichen Wirtschaft, die auf Beschäftigung (und Bezahlung) hoffen. Davon gibt es viele: Architekten, Innenarchitekten, Bauingenieure, Gebäudeausrüster, Bauphysiker, Maschinenbauer, Elektrotechniker, einschlägige Handwerker, Schornsteinfeger, Heizungstechniker, Lüftungs- und Klimatechniker, Energiefachberater der Baustoffindustrie, des Baustoff-Fachhandels und andere mehr. Ihre Lobby hat gute Arbeit geleistet. Sie alle sind berechtigt, die Ausweise für die bestehenden Wohngebäude auszustellen. Vor allem aber sind sie verpflichtet, Modernisierungen zu empfehlen, wie es in der Verordnung ausdrücklich heißt. Denn gerade das Geschäftankurbeln ist ebenfalls der Zweck des Ausweiszwangs, wenn auch der eher verborgene.

Geschäft bringt das Dämmen des Hauses gegen Wärmeverlust (rundum und unter dem Dach), die neue sparsame Heizanlage, die Solaranlage auf dem Dach, die dreifach verglasten hochisolierten neuen Fenster, der mit Holz zu heizende Kachelofen oder der holzbefeuerte offene Kamin. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach es offen aus: Er sei überzeugt, daß "die künftigen Energieausweise mit ihren Modernisierungsempfehlungen einen wichtigen Anreiz zur energetischen Sanierung setzen".

Die Ausweisaussteller können dabei auch schön in die eigene Tasche hineinempfehlen. Für sie und sonstige Energieberater brechen ohnehin goldene Zeiten an. Immerhin gibt es in Deutschland allein rund 15 Millionen private Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, und 80 Prozent des deutschen Wohnungsbestandes sind nach Angaben des Eigentümerverbandes Haus & Grund alte Häuser. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD): "Wir wollen die jährliche Sanierungsrate der Gebäude auf der Basis anspruchsvoller Effizienzstandards verdoppeln." Verbilligte Kredite sollen Hauseigentümer zusätzlich ermuntern, Fassaden und Dächer dämmen zu lassen. Der CSU-Umweltpolitiker Joseph Göppel schwärmte, die Renovierung des deutschen Wohnungsbestandes sei eine "Riesenchance für den Arbeitsmarkt". So funktioniert Zwang durch die Hintertür - der Staat als Investitionsdiktator. Dergleichen hat es hierzulande noch nicht einmal in absolutistischen Zeiten gegeben.

Natürlich kostet auch der Ausweis selbst etwas. 40 bis 120 Euro seien es, meint das Bundesbauministerium. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena/www.dena.de) ist in einem Feldversuch auf 150 und 300 Euro gekommen. Bei ausführlichen Verfahren mit einer detaillierten Gebäudeaufnahme sind es überwiegend bis zu 500 Euro. Bezahlen muß das der Hauseigentümer. Gültig ist der Ausweis zehn Jahre lang. Danach ist ein neuer fällig. Schon formiert sich für verunsicherte Wohnungs- und Hausbesitzer eine ganze Beraterwirtschaft.

Die Kosten, die der Energieausweis mit seinen Folgen verursacht, können Hauseigentümer und - wenn die Überwälzung trotz restriktiven Mietrechts gelingt - auch Mieter erheblich belasten. Aber für die einschlägige Wirtschaft wären ihre Aufwendungen zum Energiesparen ersehntes Geschäft - der Energieausweis ist ein Dukatenesel. Daher begrüßt sie seine Einführung.

Sehen sich die Eigentümer von Altbauten durch den Ausweis gezwungen, Heizkessel, Fenster und Nachtspeicheröfen auszutauschen, schätzt das Bundeswirtschaftsministerium die Kosten allein für solche Maßnahmen auf 40 Milliarden Euro.

Solche und andere Schätzungen mögen zu niedrig oder zu hoch sein, aber viele und zu viele Milliarden werden durchaus anfallen. Bei rund 18 Millionen Wohngebäuden in Deutschland und bei rund 40 Millionen Wohnungen, die über 25 Jahre alt sind, ist man schnell im hohen zweistelligen Milliarden-Bereich. Schon 2006 sind allein nach dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm mit Krediten der staatseigenen KfW-Bank elf Milliarden Euro investiert worden. Der Eigentümerverband Haus & Grund rechnet für ein Mehrfamilienhaus bei einer Wohnfläche von 300 Quadratmetern mit 100.000 Euro, die zu investieren seien, wenn die Klimaschutzpläne der Bundesregierung umgesetzt würden. Für ein Einfamilienhaus hat er eine Belastung von 15.000 bis 25.000 Euro errechnet. Das Problem seien die alten Wohnhäuser, die 80 Prozent des gesamten Bestandes ausmachten.

Ferner wird befürchtet, Finanzierungsprobleme könnten sich auch daraus ergeben, daß viele Hauseigentümer schon so alt sind, daß ihnen keine Bank mehr Kredit gibt. Das allerdings ist nicht zwingend. Einer Bank genügt die Grundschuld oder Hypothek auf das Haus als Sicherheit; das Alter des Eigentümers ist insofern unerheblich. Anders verhält es sich mit der Sorge, daß Mieter energetischen Maßnahmen aus Angst vor Mieterhöhungen nicht zustimmen und für die Dauer der Arbeiten Mietminderung verlangen. Wohl werden nach einer GfK-Umfrage von 90 Prozent die Klimaschutzpläne befürwortet, doch nur fünf Prozent erklären sich bereit, die Investitionskosten mitzutragen.

Zwar kann der Vermieter jährlich elf Prozent seiner Sanierungsaufwendungen auf die Mieter überwälzen, aber wenn der Sanierungsaufschlag die Obergrenze im örtlichen Mietspiegel überschreitet oder wenn es sich um preisgebundenen Wohnraum handelt, gelingt das nicht. Es gelingt auch dann nicht, wenn die Marktlage einen solchen Aufschlag - wie er beispielsweise in München sicher möglich ist - nicht erlaubt. Ohnehin liegt die Durchschnittsrendite für Mietshäuser nach Angaben von Haus & Grund nur bei drei Prozent, und in den neuen Bundesländern schrieben viele Eigentümer schon rote Zahlen.

Informationen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Internet: www.bmvbs.de/Bauwesen/-,1533/Klimaschutz-und-Energiesparen.htm


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