© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

"Der völlig falsche Weg"
Integration: Die Forderung nach ethnisch homogenen Wohnblocks ist auf scharfe Kritik gestoßen, dabei sind diese längst Realität
Fabian Schmidt-Ahmad

Thomas Dilger ist zwar Geschäftsführer der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt und damit Chef von 64.000 Wohnungen in Hessen und Thüringen, doch bisher stand er eher weniger im Licht der Öffentlichkeit. Dies änderte sich in der vergangenen Woche schlagartig, als Dilger in der Welt mit Äußerungen zitiert wurde, die ein Beben in der hessischen Landespolitik und weit darüber hinaus auslösten.

Denn Dilger hatte ein Konzept ins Gespräch gebracht, nach dem Wohnungen in Zukunft nur noch nach kulturellem Hintergrund der Interessenten vermietet werden sollen. So werde künftig bei Neubelegungen darauf geachtet, daß die neuen Mieter zur größten ethnischen Gruppe innerhalb des Mietshauses passen. Dadurch sollen "einheitliche ethnische Nachbarschaften in Milieuhäusern" entstehen.

"Eine fünfundsiebzigjährige deutsche Großmutter hat ein anderes Verständnis von Sauberkeit und Erziehung als eine junge Migrantenfamilie", begründete Dilger die Entscheidung: "Wir glauben nicht mehr an die glückliche, gemischte große Heimstättenfamilie."

Eine so deutliche Absage an den Traum des Multikulturalismus mußte naturgemäß Empörung auslösen: "Wir sind uns einig, daß eine Vermietung von Wohnungen getrennt nach Nationalitäten der völlig falsche Weg ist und eine Kapitulation vor zweifellos vorhandenen Problemen bei der Integration darstellt", heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung von Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch und Wirtschaftsminister Alois Rhiel. Damit sekundierten die beiden CDU-Politiker dem Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Landtag, Tarek Al-Wazir, der gleichfalls kein Kulturproblem sehen will. Dilger habe "offensichtlich nicht verstanden, daß es bei den unzweifelhaft vorhandenen Konflikten in den Siedlungen nicht um Deutsche oder Nicht-Deutsche geht, sondern faktisch um die Sozialstruktur in einem Gebiet".

Überrascht von dem Medienecho dementierte die Wohnungsgesellschaft, bewußt eine ethnische Trennung herbeizuführen. So gehöre zu ihrer bisherigen Strategie "keinesfalls eine Geschäftspolitik, die eine ethnische Segregation befördere und Wohnblocks nach Ethnien getrennt vermiete". Ein etwas halbherziges Dementi, heißt es doch weiter: "Inzwischen finde jedoch eine wesentliche Veränderung ... statt. Niedrige Geburtenzahlen und die Zunahme der Bevölkerung mit Migrationshintergrund habe die Struktur der Wohnungssuchenden, insbesondere im Markt geförderter Wohnungen, verschoben. ... Jeder habe damit die Chance, sich nach eigenem Ermessen mit Wohnraum zu versorgen und damit seinen Wunsch zu realisieren, Nähe zu Nachbarn in ähnlichen kulturellen und ethnischen Milieus zu suchen."

In der Tat sprach auch Dilger in Berlin auf der Fachtagung "Gut miteinander wohnen - was können Wohnungsunternehmen, Kommunen und freie Träger tun?" keine überraschenden Neuigkeiten aus. Schließlich gehören die von Dilger geschilderten Maßnahmen seit Jahren ganz einfach zum praktischen Alltag der Wohnungsvergabe - Maßnahmen, die einfach aus der Not der Wohnungsunternehmen resultieren, wenigstens einen Teilbereich sozial intakt zu erhalten.

Es ist ein offenes Geheimnis des Sozialen Wohnungsbaus, daß der hohe Leerstand einiger Wohnungsunternehmen beendet werden könnte, wenn diese ihre bisher diskriminierende Vergabepraxis aufgeben und ihre Pforten für wirklich jeden öffnen würden: Ansichten aus der Welt der Realitäten, die für Irritationen sorgen, werden sie in der Welt des multikulturellen Scheins publik. 

Foto: Wandbild zum Thema Integration im Kölner Problemstadtteil Chorweiler: Struktur der Mieter ändert sich dramatisch


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