© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Feindesland als Freund
Otto von Habsburgs China
Beatrix Madl

Der frühere CSU-Europaabgeordnete Otto von Habsburg warnte jüngst vor dem "aggressiven Potential Rußlands".  "Die russische Wirtschaft, so wie sie jetzt durch Putin umgebaut wird, ist eine Vorbereitung auf einen Krieg, man muß sich darüber klar sein", sagt er in einem Interview mit der Publizistin Eva Demmerle, erschienen in Buchform unter dem Titel "Der Habsburg-Faktor". Alle für militärische Zwecke relevanten Industrien steuerten heute Putin-Getreue.

Aber die westlichen Wirtschaftler wollten das einfach nicht sehen. Auch hiesige Politiker verharmlosten den russischen Präsidenten, der bürgerliche Freiheiten in seinem Land stark einschränke. "Es ist noch keine fünf Jahre her, daß der damalige Bundeskanzler Schröder gesagt hat, Putin sei ein 'lupenreiner Demokrat'. Entweder war er naiv, oder wie ich fürchte, etwas anderes", heißt es da aus dem Munde des Kaisersohns, der vergangenen Dienstag 95 Jahre alt wurde.

Immer schon hat er unabhängig und nie zurückhaltend gesprochen und wird dies nun im hohen Alter nicht ändern. Seine langjährige Assistentin Demmerle befragt ihn hier zu den Themen, die ihm im Moment wichtig sind. Während er vor Rußland warnt, plädiert er für eine Verständigung mit China. Das in Peking herrschende politische System sei stetigen Wandlungen unterworfen. In der Außenpolitik Chinas gehe es immer noch um die "zwölf ungleichen Verträge", die fremde Mächte den Chinesen einst aufgezwungen haben, die daraus resultierenden offenen Fragen beträfen fast alle Rußland. "Denn man muß sich klar sein, der Nachbar meines Feindes ist mein Freund. Daher müßten wir ganz anders mit den Chinesen umgehen und uns viel mehr mit ihnen befassen", erklärt er die von ihm bevorzugte Strategie ganz im Sinne des Buchuntertitels "Visionen für das neue Jahrtausend".

Der Band ist insgesamt eine kurzweilige Einführung in die Biographie des Kaisersohns, die Einblick gibt in ein langes politisches Leben mit historischen Dimensionen. Er begründet darin, warum er Hitlers Aufforderung zu einem Gespräch einst nicht folgte und wie es ihm während des Zweiten Weltkriegs gelang, manche Bombardierung österreichischer Orte zu verhindern. Ebenso gibt er eine Antwort auf die Fragen, warum er sich für den Gottesbezug in einer EU-Verfassung eingesetzt hat und warum das Kosovo unabhängig werden muß.

Eva Demmerle: Der Habsburg-Faktor. Visionen für das neue Jahrtausend. Im Gespräch mit Otto von Habsburg. Lejeune-Edition: Edition Mensch, München 2007, gebunden, 224 Seiten, 19,90 Euro


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