© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Gegenspieler
Neu auf DVD: Alfred Weidenmanns "Canaris"
Werner Olles

Mit "Junge Adler" drehte Alfred Weidenmann 1943/44 einen jener "Erziehungsfilme", die die deutsche Jugend zu mehr Vertrauen, Disziplin und Kameradschaft anhalten sollten. Das Drehbuch stammte von dem ehemaligen Kriegsberichterstatter der Waffen-SS Herbert Reinecker, der in der späteren Bundesrepublik mit Serien wie "Der Kommissar" und "Derrick" die TV-Landschaft prägte.

Zehn Jahre nach "Junge Adler" kamen Weidenmann und Reinecker wieder zusammen, um einen biographischen Spielfilm über den Chef des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht, Admiral Wilhelm Franz Canaris, zu drehen. Produzent Werner Drake verpflichtete mit O. E. Hasse einen der profiliertesten deutschen Schauspieler für die Titelrolle. Canaris' gefährlicher Gegenspieler ist der SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich (Martin Held), mit dem er nach außen eine scheinbar freundschaftliche Beziehung pflegt. In Wahrheit ist das Verhältnis der beiden jedoch äußerst gespannt. Heydrich traut dem Leiter der militärischen Abwehr nicht, er kennt dessen politische Abneigung gegenüber dem NS-Regime. Schließlich wird Canaris zum offenen Gegenspieler des SD-Chefs, als er die gegen Hitler gerichtete Tätigkeit einiger Abwehr-Offiziere deckt. Und er bereitet selbst einen Staatsstreich vor, der jedoch ebenso mißlingt wie das Attentat vom 20. Juli.

Im Februar 1944 wird Canaris seines Amtes als Chef des Nachrichtendienstes der Wehrmacht (Abteilung "Abwehr") enthoben. Drei Tage nach dem Attentat vom 20. Juli wird er von seinem Rivalen im Reichssicherheitshauptamt VI (SD Ausland), SS-Brigadeführer Walter Schellenberg, verhaftet. Zusammen mit Dietrich Bonhoeffer und dem Abwehr-Offizier Hans Oster wird er auf persönlichen Befehl Hitlers nach einem Standgerichtsverfahren am 9. April 1945 in Flossenbürg erhängt.

Weidenmanns "Canaris" (1954) ist ein stark idealisierendes Drama, das dank ausgezeichneter Darsteller, einer straffen und routinierten Regie und eines fast dokumentarischen Drehbuchs den Zuschauer bis zum Schluß fesselt. In keiner Minute kommt Langeweile auf, zu packend ist die Geschichte dieses ungewöhnlich mutigen Mannes.

Natürlich ist der Film nicht in sämtlichen Details historisch korrekt. Nicht verbürgt ist zum Beispiel Heydrichs Plazierung einer SD-Agentin im Büro des Admirals. Kaum thematisiert wird, daß Canaris den Nationalsozialismus zunächst durchaus befürwortete - eine Gemeinsamkeit, die er mit Widerstandskämpfern wie den Geschwistern Scholl oder Graf Stauffenberg teilte. Auch daß er nach dem Ersten Weltkrieg die "rechte Hand" des Freikorpsführer Kapitän Hermann Ehrhardt und 1919 Mitglied des Kriegsgerichts war, das die Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum größten Teil freisprach, kommt nicht zur Sprache.

Daß "Canaris" dennoch ein durch und durch glaubwürdiger Film ist, verdankt er vor allem seinem Hauptdarsteller O. E. Hasse, der hier wieder einmal eine großartige Leistung zeigt. Als Extras bietet die bei Kinowelt erschienene DVD eine Fotogalerie, Biographien von Hasse, Barbara Rütting und Adrian Hoven und einen Kommentar von Alfred Weidenmann: "Müssen Filme unwahr sein?" 

DVD: Canaris, Kinowelt, Leipzig 2007, Laufzeit: ca. 108 Minuten

Foto: Canaris (O.E. Hasse): Abneigung gegenüber dem NS-Regime


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