© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Premier Sanader auf der Kippe
Kroatien: Spannender Ausgang der Wahlen erwartet / Linke Opposition im Aufwind / Rechtsnationale müssen um Einzug ins Parlament zittern
Alexander Rüstau

Am Sonntag finden in Kroatien die sechsten Parlamentswahlen seit der Erlangung der Unabhängigkeit 1991 statt. Eine Besonderheit der diesjährigen Wahl ist die Entwicklung der bislang bunten politischen Szene in Kroatien hin zur Entstehung zweier politischer Lager rechts und links der Mitte, angeführt einerseits von der derzeit regierenden Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) und andererseits der Sozialdemokratischen Partei (SDP). Beide Parteien mobilisieren zusammen über die Hälfte der Wählerstimmen und liefern sich seit Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen in den Umfragen.

Die konservative, 1989 von den späteren Präsidenten Franjo Tuđman und Stipe Mesić gegründete HDZ stellt seit 2003 mit Ivo Sanader wieder den Ministerpräsidenten. Unter ihm wurde Kroatien EU-Beitrittskandidat und vollzieht eine wirtschaftliche Entwicklung, mit der es sich hinter vielen neuen EU-Mitgliedsländern nicht zu verstecken braucht. So liegt die Arbeitslosenquote zwar bei 14,3 Prozent, ist jedoch rückläufig. Das Wirtschaftswachstum lag 2006 bei 4,8 Prozent, das Pro-Kopf-Einkommen war mit 9.330 US-Dollar etwa doppelt so hoch wie in Bulgarien und Rumänien. Erhebliche Probleme schaffen die defizitäre Sozialversicherung und mangelhafte Rechtssicherheit als Folge einer überlasteten Justiz sowie Korruption in der Politik. Im weltweiten Korruptionsindex (CPI) liegt das Land knapp hinter Polen zusammen mit Bulgarien auf Platz 64.

Letzteres Problem nutzt die oppositionelle SDP zum Angriff auf die HDZ-geführte Regierung. 1990 aus der KP Kroatiens hervorgegangen, hat die SDP im April dieses Jahres mit dem Tod von Ivica Račan (Ministerpräsident 2000-2003) ihre große Führungsfigur verloren. Unter ihrem neuen Chef Zoran Milanović gelang es der SDP (2003: 22,4 Prozent), die HDZ (41,7 Prozent) in der Wählergunst zu übertreffen und mehrere Monate die Umfragen zu beherrschen, bis die HDZ bei der letzten Umfrage Ende Oktober wieder gleichzog. Weiterhin erfreuen sich die Wendekommunisten einer unverhohlenen Zuneigung des Westens, welche sich bereits im Wahlkampf nach dem Tode des vom Westen vielfach kritisierten "Nationalisten" Tuđman im Jahr 2000 deutlich zeigte.

Dagegen dürfte die HDZ von den Stimmen der im Ausland lebenden kroatischen Diaspora profitieren. Das kroatische Wahlrecht sieht zehn Inlandswahlkreise vor sowie einen elften für die Auslandskroaten und einen zwölften für die nationalen Minderheiten (hauptsächlich Serben, Italiener, Ungarn). Die bis zu 14 Abgeordneten des elften Wahlkreises werden nach der Anzahl der Diaspora-Wählerstimmen bestimmt. 2003 erhielt die Diaspora vier Mandate, alle fielen der HDZ zu. Das könnte sich bei knappem Wahlausgang als Vorteil für die HDZ erweisen.

Durch die Zuspitzung auf die beiden großen Parteien scheint (angesichts einer Fünf-Prozent-Klausel in den Wahlkreisen) derzeit nur noch für weitere vier politische Gruppierungen der Einzug in den Sabor sicher. Neben dem Wahlbündnis aus Bauernpartei (HSS), Sozialliberalen (HSLS) und der Regionalpartei PGS kann auch Präsident Mesićs linksliberale Volkspartei (HNS/2003: 7,9 Prozent, SDP-Koalitionspartner bis 2003) mit dem Wiedereinzug rechnen. Der HDZ-Koalitionspartner, die Rentnerpartei HSU, ist in den Umfragen ebenfalls stabil. Sie setzt auf die Unzufriedenheit im sozialen Bereich und die Korruptionsproblematik.

Die rechtsnationale Partei des Rechts (HSP/4,6 Prozent) von Anto Đapić muß dagegen um ihren erneuten Einzug in den Sabor zittern. Sie spricht mit ihrer EU-kritischen Haltung vor allem national orientierte Wähler an und verurteilt als einzige Partei die Anklage Ante Gotovinas vor dem Internationalen Strafgerichtshof (TPIY) in Den Haag (JF 12/05). Viele Kroaten, die im Unabhängigkeitskrieg bis 1995 zu leiden hatten, sehen die Auslieferung des kroatischen Ex-Generals und Nationalhelden im Jahre 2005 als Verrat an und verurteilen insbesondere die moralische Gleichstellung Gotovinas mit serbischen Kriegsverbrechern wie Radovan Karadžić und Ratko Mladić, die für systematischen Völkermord in den Kriegen in Kroatien und Bosnien verantwortlich gemacht werden.

Wer Kroatien nach dem 25. November regieren wird, hängt im wesentlichen von möglichen Koalitionen ab. Während sich Präsident Mesić eine Große Koalition wünscht, erheben die beiden großen Parteien jeweils den Führungsanspruch. Schließlich wird sowohl von der HDZ als auch von der SDP ein EU-Beitritt Kroatiens für das Jahr 2009 forciert. Damit könnte der zukünftige Ministerpräsident das Land in einem historischen Schritt in die EU führen - ein Ziel, das sich die Chefs beider Großparteien gesetzt haben.


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