© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/07 16. November 2007

Einigkeit bezwingt Brüsseler Bürokraten
Agrarpolitik: Auch nach der geplanten EU-Weinmarktreform darf deutscher Apfel- und Beerenwein weiter so heißen
Alexander Bagus

Ebbelwoi muß Ebbelwoi bleiben", forderten die einen. "Wir werden mit allen Mitteln für unseren Apfelwein kämpfen", formulierten die anderen. Ganz Mutige sagten gar: "Nach dem zehnten Schobbe sollten wir fordern: Hessen raus aus der EU!" Ob die regierende CDU von Ministerpräsident Roland Koch oder die Landtagsopposition aus SPD, FDP und Grüne - bei diesem Thema war man sich schnell absolut einig: Das hessische Landesgetränk muß seinen Namen behalten (JF 46/07).

Vorige Woche gab es dann Entwarnung: "Ich habe Herrn Seehofer versichert, daß wir bei den Verhandlungen über die Weinreform eine Lösung finden werden, die eine Vermarktung von Apfelwein und anderen Obst- und Beerenweinen wie derzeit erlauben wird", erklärte die zuständige EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel nach einem Treffen mit Verbraucherschutzminister Horst Seehofer in Brüssel.

Die Zukunft des Apfelweins sei keineswegs bedroht, sagte die dänische Rechtsliberale. Entgegen deutschen Medienberichten sei es nie die Absicht der EU-Kommission gewesen, die Herstellung dieser Getränke zu stoppen. Aus dem Straßburger Europaparlament wurde inzwischen kolportiert, ein italienischer EVP-Abgeordneter solle angeblich hinter der Attacke auf den Ebbelwoi stecken.

Ein Verbot von Apfelwein hatte die EU in der Tat nicht geplant. Aber daß die EU-Kommission die Weinmarktordnung ändern will, ist schon seit längerem bekannt (JF 28/06). Nicht bekannt war die Streichung einer entscheidenden Passage. Schon derzeit definiert die EU-Weinmarktordnung Wein (Anhang I Nr. 10) als "das Erzeugnis, das ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen, auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmostes gewonnen wird". Es gibt allerdings eine Ausnahmeregelung (Anhang VII Buchstabe C Nr. 2), in der steht, daß trotz der Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften, die "Verwendung des Wortes 'Wein' in Verbindung mit dem Namen einer Frucht als zusammengesetzter Ausdruck zur Bezeichnung von Erzeugnissen, die durch Gärung anderer Früchte als Weintrauben gewonnen werden", gestattet ist. Dieser Teil des Anhangs wurde für die neue Fassung gestrichen.

Zufällig stieß ein Mitarbeiter der hessischen Landesvertretung in Brüssel bei der Durchsicht der neuen Regelungen darauf. Hessens Europaminister Volker Hoff (CDU) erklärt das damit, daß man sich hauptsächlich auf die Rodungsregelungen und das Zuckerungsverbot konzentriert habe und im Vorfeld auch keine Äußerungen in dieser Richtung getätigt wurden.

Die Landesregierung Hessens sei sofort informiert worden, läßt Hoff wissen. Ministerpräsident Koch wandte sich daraufhin sowohl an Fischer Boel als auch an Seehofer. Der CSU-Vize versprach seine Unterstützung im Kampf für die Erhaltung des Namens "Apfelwein". Jetzt sieht es so aus, als ob Seehofer diese Rettung erreicht hat. Doch die Details sind noch unbekannt. Schließlich versagte er schon bei seinem Versprechen, das Weinhandelsabkommen zwischen EU und USA zu verhindern (JF 2/06).

Außerdem ist der gerade noch abgewendete Plan nicht die erste Attacke auf das Lieblingsgetränk der Hessen. Bereits 2005 wollte die EU-Kommission Apfelwein mit Apfelgetränken aus anderen EU-Ländern wie beispielsweise den französischen Cidre gleichsetzen - trotz eindeutiger Qualitätsunterschiede. Denn während Cidre nur aus 20 Prozent Äpfeln besteht, wird deutscher Apfelwein zu 100 Prozent aus Äpfeln hergestellt. Dazu kommt, daß dabei in Deutschland weniger Zusatzstoffe verwendet werden dürfen als anderswo in der EU. Letztendlich gab die Kommission diesen Argumenten nach und beließ es beim alten.

Mit der Streichung wäre außerdem nicht nur das hessische Leib- und Magengetränk betroffen, sondern auch Kirschwein aus Nordhessen, Erdbeerwein aus Brandenburg und vor allem viele andere Obstweine aus Nord- und Osteuropa. Statt sich mit unsinnigen Reformen zu befassen, sollte man sich in Brüssel um dringendere Probleme wie beispielsweise Korruptionsbekämpfung oder Entbürokratisierung kümmern.

Literaturempfehlung: Jörg Stier - Apfelwein in Geschichten und Anekdoten, CoCon-Verlag, Hanau 2006, gebunden, 150 Seiten, 9,90 Euro


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