© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/07 16. November 2007

Zerschlagung hilft nicht weiter
Energiepolitik: Wahlkämpfende Politiker attackieren Stromkonzerne / Verstaatlichung des Netzes denkbar
Jens Jessen

Die nächsten Landtagswahlen nahen, und damit erwachen auch die Populisten. Und die Energiepreise bringen Wirtschaft und Verbraucher seit längerem zur Verzweiflung. Aber erst jetzt wird es ein Thema für die Politik. Der CDU-Wirtschaftsminister von Hessen will den Energiekonzernen an den Kragen. Dabei verschweigt der streitbare Alois Riehl, daß der Staat - neben den weltweit gestiegenen Primärenergiepreisen - einer der Hauptpreistreiber ist. Nicht nur, daß Politiker trotz Teilprivatisierung in den Gremien der Konzerne und der regionalen Energieanbieter die Entscheidungen zuungunsten der Verbraucher mitbestimmen.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, daß die "Großen Vier" - Eon, RWE, Vattenfall und EnBW - gar keinen Grund haben, Wettbewerb zu betreiben, da sie sich die Versorgungsgebiete in Deutschland ordentlich aufgeteilt haben. Die drei deutschen und der schwedische Staatskonzern Vattenfall sind außerdem an Stadtwerken und vielen kleineren Versorgern beteiligt. Die Politiker haben es zu verantworten, wenn viele Kommunen ihre Stadtwerke an die "Großen Vier" verkauft haben.

Die Politiker sind es auch, die durch Steuererhöhungen die Preise hochboxten und mit immer neuen Gesetzen einen theoretischen Preiswettbewerb behindern. Das 2004 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schraubt die Kosten für die Verbraucher noch höher. Ökostrom wird zwangseingespeist und mit "Subventionen" in Milliardenhöhe gepuscht, die aber von den Verbrauchern aufgebracht werden. Die Grundvergütung für freistehende Solaranlagen beträgt 45,7 Cent/Kilowattstunde (kWh). Konventionell erzeugter Strom kostet 4,5 Cent/kWh.

Diese hohe Vergütung für die Photovoltaik läßt die Solarbranche florieren. Der Marktforschungsfirma Europressedienst zufolge werden in Deutschland allein in diesem Jahr Solaranlagen mit einer Kapazität von 1.500 Megawatt neu aufgestellt, nächstes Jahr sollen es weitere 2.000 Megawatt sein. Damit werden die Durchschnittskosten pro Kilowattstunde Ökostrom weiter steigen. "Wir haben heute dreimal soviel Ökostrom wie früher", sagt ein Branchenkenner, "nur leider zum vierfachen Preis." Der "grüne Strom" kostet heute 27 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Der Verband der Netzbetreiber hat ausgerechnet, daß eine Kilowattstunde Ökostrom 2003 im Schnitt 9,16 Cent kostete, 2006 waren es schon 10,88 Cent. Für 2007 wird mit Kosten von 11,66 Cent gerechnet.

Die Politiker haben bei der von ihnen durchgesetzten Förderung der erneuerbaren Energien versprochen, daß nach einer Anschubfinanzierung die Ökoenergie laufend billiger würde. Diese Versprechungen konnten nicht erfüllt werden. Das liegt nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) an der falschen Weichenstellung der Politik. "Es gibt Länder, in denen Solarenergie mehr Sinn ergibt als in Deutschland", meint DIW-Expertin Claudia Kemfert. Hierzulande sei die Windenergie deutlich effizienter: "Windstrom wird man in einigen Jahren gar nicht mehr fördern müssen. Bei Solarstrom ist das nicht zu erwarten." Ein Problem sind auch die nach wie vor hohen Produktionskosten bei den Anlagen, die selbst der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, Kai Dobelmann, für überhöht hält. Hätte die Solarwirtschaft ihre früheren Versprechen zur Kostensenkung gehalten, dann wäre heute eine Vergütung "zwischen 34 und 35 Cent" möglich, sagte er der Fachzeitschrift Photon.

Wenn die hessische Landesregierung die als Oligopol agierenden vier Energiekonzerne zerschlagen will, so soll sie das machen und gut begründen. Aber selbst die Monopolkommission, die den Ball gerne aufgefangen hat, um ihre Daseinsberechtigung unter Beweis zu stellen, äußert Bedenken an der Riehlschen Rabulistik. In ihrem Sondergutachten 49 wird auf die Schwierigkeiten bei einer eigentumsrechtlichen Entflechtung hingewiesen. Die Durchführung sei äußerst riskant. Das Beratungsgremium, das Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zuarbeitet, hat empfohlen, auf mildere Eingriffe hinzuarbeiten.

Da die Bundesregierung bei sich keine Schuld an den hohen Preisen für Strom entdecken kann, soll das Bundeskartellamt es richten, indem es beim Preismißbrauch eingreift. Die FAZ hielt dem lapidar entgegen, das sei zwar eine naheliegende Idee. Eine echte Kostenkontrolle, an der Preismißbrauch festgemacht werden könnte, sei allerdings mit kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden. Deshalb greift die Monopolkommission in die Verbotskiste: Den Marktbeherrschern sollen Investitionen in Kraftwerke verboten werden. Ob bei einer Klage gegen ein derartiges Verbot der Bund gute Karten hätte, kann bezweifelt werden.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die schon Kartellverfahren gegen RWE und Eon eingeleitet hat, setzt auf die Trennung von Energieproduktion und Netzbetrieb. Dieser Schritt sei unverzichtbar für effektiven Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher meint die niederländische Rechtsliberale. Wettbewerb auf Märkten mit homogenen Gütern wie Strom, Gas oder Treibstoffe läßt sich in der Regel nicht über die Qualität des Produkts initiieren, sondern nur über den Preis. Weil die Energieanbieter sowohl das Stromleitungsnetz besitzen, auf der ihr Produkt zum Verbraucher befördert wird und sie gleichzeitig über ein Gebietsmonopol verfügen, bleibt wohl nichts anderes übrig, als die Netze zu verstaatlichen. Ein Verkauf an private Betreiber wäre aber sicher ebenso der falsche Weg wie eine Privatisierung der Autobahnen. Die Verstaatlichung würde dem Staat neben Nutzungsentgelt auch Steuerungsmöglichkeiten an die Hand geben, die einen Preiswettbewerb in Gang brächten - und das ohne verlogenen Populismus.

Das Sondergutachten 49 der Monopolkommission "Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung" im Internet: www.monopolkommission.de/sg_49/text_s49.pdf


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