© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

Flammentod in der Baugrube
Fanal in Erfurt: Vor einem Jahr verbrannte sich der Pfarrer Roland Weißelberg aus Protest gegen die Ausbreitung des Islam in Deutschland
Anni Mursula

Vor einem Jahr verbrannte sich der evangelische Pfarrer Roland Weißelberg in Erfurt aus Protest gegen den sich ausbreitenden Islam. Doch was folgte aus seiner Selbstverbrennung? Der kurze mediale Sturm, die Empörung, Schock und Mitleid waren bereits nach wenigen Tagen abgeklungen: Schnell galt Weißelberg in der Öffentlichkeit als verwirrter Einzelgänger und labiler Pensionär. Nach einem Jahr erinnert sich kaum einer noch an seinen qualvollen Flammentod - geschweige denn sein Motiv.

Rückblick: Es ist Reformationstag. Während des Festgottesdienstes im Augustinerkloster mit etwa dreihundert Teilnehmern klettert der 73 Jahre alte Roland Weißelberg in eine 2,5 Meter tiefe Baugrube nahe der Kirche. Dort übergießt er sich mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündet sich an. Augenzeugen berichten, daß er "Jesus" und "Oskar" ruft. Mit letzterem meint er wohl den DDR-Pfarrer Oskar Brüsewitz, der sich 1976 in Zeitz aus Protest gegen das kirchenfeindliche SED-System öffentlich verbrannte. Schließlich kann Weißelberg vor Schmerzen nur noch schreien. Er sackt zu Boden: Sein Körper ist zu sechzig Prozent verbrannt.

Um etwa 10.45 Uhr eilt Schwester Ruth von der im Augustinerkloster residierenden Ordensgemeinschaft Communität Casteller Ring dem Pfarrer zur Hilfe. Obwohl sie Weißelberg persönlich kennt, kann sie ihn in seinem Zustand nicht mehr identifizieren. Sein Gesicht ist zu diesem Zeitpunkt bereits vollkommen entstellt. Seine Ehefrau wird ihn später nur anhand seines Eheringes erkennen. Als Ruth Meili in die Baugrube hinabsteigt, "glüht" der Mann buchstäblich noch. Sie kniet in der "Asche des schreienden Mannes"- wie sie zwei Tage nach dem Tod von Weißelberg der JF erzählt. "Ich habe mit ihm gebetet und gesagt, daß Gott bei ihm sei und ihn nicht fallenlassen würde. Er werde ihn nicht verdammen. Und daß niemand und nichts ihn von Gott trennen könne. So wurde er langsam ruhiger und antwortete mit ‚ja'."

"Jeder, der den Zustand des Mannes und seine Verbrennungen sah, wußte, daß er auf keinen Fall überleben würde", sagte Ruth Meili. Die Rettungssanitäter geben Roland Weißelberg lediglich eine Spritze gegen die Schmerzen und bringen ihn in eine Spezialklinik für Verbrennungen in Halle. Dort stirbt er am nächsten Tag.

In mehreren Zeitungsartikeln wird in den folgenden Tagen immer wieder darauf hingewiesen, daß der behandelnde Arzt in der Klinik ein gläubiger Moslem war. So wird das Bild eines barmherzigen Moslems gezeichnet, der dem zornigen Christen Weißelberg seine Intoleranz vergibt. Dabei hat sich einfach ein Arzt um seinen Patienten gekümmert.

Weißelberg hatte immer wieder vor der Islamisierung Europas und Deutschlands gewarnt und die christliche Kirche zu mehr Profil gemahnt. Die Erfurter Pröpstin Elfriede Begrich meinte sogar, der Islam sei Weißelbergs "Dauerthema" gewesen. Schwester Ruth bezeichnete den pensionierten Pfarrer als "unbequem", weil er immer wieder das unangenehme Thema Islam angesprochen habe. "Ich fand ihn sehr mutig und direkt. Er hat immer das gesagt, was viele denken, aber sich nicht trauen zu sagen", sagte sie der JF.

Sie glaubt, Weißelberg hatte das Gefühl, von der Kirche nicht ernst genommen zu werden. So habe er - um Gehör für seine Anliegen zu finden - schließlich zum äußersten Mittel gegriffen und auf eine der drastischsten Weisen Selbstmord begangen. Doch sein Ziel habe er damit kaum erreicht, sagte Schwester Ruth. Denn auch sein Tod hat ihn für die Öffentlichkeit und die Kirche nicht glaubwürdiger gemacht: Schließlich gebe es keinen Grund, sich von den etwa tausend Moslems in Erfurt oder den etwa 7.000 in Thüringen bedroht zu fühlen, schrieben die Zeitungen. Wer dies tue, habe ein Problem mit der Realität, ließen sie durchblicken.

So prognostizierte Schwester Ruth bereits im vergangenen Jahr, daß Weißelbergs Tat in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) - dort,  wo er etwas verändern wollte - wenig bewegen werde. Und sie hatte recht: Bereits wenige Tage später auf der Synode war der Flammentod dem EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber nur eine Randnotiz wert. Die EKD werde sich weiterhin mit der Islam-Thematik befassen und den Dialog mit dieser Religion fortsetzen, hieß es dort.

Über den Dialog mit dem Islam wurde im vergangenen Jahr vor allem in Zusammenhang mit dem Bau von repräsentativen Moscheen in Köln, München und Berlin viel gesprochen. Doch immer wieder wurde dabei betont, daß alle Probleme gelöst werden könnten, wenn der Islam hierzulande nur mehr Raum und Verständnis bekäme. Das Problem liege schließlich nicht beim Islam, sondern bei den intoleranten Deutschen.

Doch auf einen solchen "Dialog" hat Weißelberg wohl kaum abgezielt. Wenn es nach dem Willen des verstorbenen Pfarrers ginge, fänden auch politisch unkorrekte Aspekte Gehör. Statt dessen spricht heute niemand mehr über seine Selbstverbrennung. Im Erfurter Augustinerkloster sollte im Reformationsgottesdienst an diesem Mittwoch nur kurz an ihn erinnert werden.


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