© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

Unbequem durch Geradlinigkeit
Der Militärhistoriker Generalleutnant a.D. Franz Uhle-Wettler begeht am 30. Oktober seinen achtzigsten Geburtstag
Manfred Backerra

Franz Uhle-Wettler, Generalleutnant a.D. und Historiker, wurde am 30. Oktober vor achtzig Jahren in der Lutherstadt Eisleben geboren. Als 15- bis 20jähriger war er Flakhelfer, Arbeitsdienstler, Seekadett und Kriegsgefangener. Er studierte als Bergarbeiter-Werkstudent Geschichte und orientalische Sprachen in Marburg, als Fulbright-Stipendiat in den USA, auch in Indien, das er per Fahrrad erreichte, kehrte zu Pferd durch Afghanistan und Ostpersien zurück und promovierte in Marburg in Geschichte.

Ab 1956 in der Offizierausbildung, war der "Doc" froher Kamerad von acht bis zehn Jahre Jüngeren. Nach dem Motto "Schweiß spart Blut", hat er dann weder sich noch die ihm anvertrauten Panzergrenadiere geschont. Als Kompaniechef, Generalstäbler in Truppenkommandos, im Ministerium, im Hauptquartier der Nato in Europa, als Brigade- und Divisionskommandeur hat er den mühsamen Aufstieg des Heeres zu einer kampfkräftigen Truppe mitgestaltet. Schmerzlich erlebte er bald wieder den Niedergang militärischen Könnens. Als Querdenker machte er es sich im - oft politisch bedingt - mangelhaft organisierten und geführten neuen Heer nicht leicht. Er wandte sich 1966 mit der Studie "Leichte Infanterie im Atomzeitalter" gegen dessen Panzerlastigkeit. Als Kommandeur der Panzerlehrbrigade  stieß er mit "Gefechtsfeld Mitteleuropa" nach und forderte öffentlich eine bessere Ausrichtung des Heeres auf die Verteidigung der vielen Wälder, Ortschaften und Städte mit leichter Infanterie. Daher gab es später einige Jäger-Regimenter. Doch Uhle-Wettler übernahm eine Panzerdivision. Zuletzt Kommandeur des Nato Defense College in Rom, hat der Troupier mit militärhistorischem Fundus, Nato-Prozedere und -Sprache beherrschend, auch Italienisch parlierend, mehr als "bella figura" für Deutschland und das Bündnis gemacht.

Hierzu eine Anekdote aus "Rührt Euch!", seinen militärischen Erinnerungen von 2006 (Ares Verlag): Dem Oberbürgermeister von Rom sollte er wegen dessen kommunistischen Parteibuch den Antrittsbesuch versagen. Doch der ehrliche Repräsentant der "Wertegemeinschaft", der in den sechziger Jahren unter dem Pseudonym Ulrich Werner das Taschenbuch "Der sowjetische Marxismus" verfaßt hatte, erwies dennoch dem demokratisch gewählten Stadtoberhaupt couragiert seine Reverenz. Der Kommunist ließ zu der Zeit gerade die Inschrift "Mussolini - Dux" außen am Olympiastadium neu vergolden und bedauerte die Deutschen wegen ihrer 120prozentigen Vergangenheitsbewältigung.

Das tut auch der Historiker Uhle-Wettler. Seine Verdienste um eine tatsachengerechte Geschichtsschreibung dürften seine militärischen überdauern. Bereits 1984 erklärte er in "Höhe- und Wendepunkte deutscher Militärgeschichte" herausragende Ereignisse von Leuthen bis Stalingrad. Die Auflage von 2000, erweitert um Kreta und Anmerkungen zum "Anstand und mithin dem Niveau der Beteiligten" am Verbot der Totenehrung der Fallschirmjäger, bewirkte ein Redeverbot in der Bundeswehr und eine Warnung an die Truppe. Die nächste Auflage von 2006, um die Skagerrak-Schlacht ergänzt, lobte Das Parlament als "spannend wie ein Kriminalroman" und Bild am Sonntag "als Beispiel dafür, wie man Militärgeschichte lesbar und ohne Abstriche an Wissenschaftlichkeit schreibt". Dies gilt auch für seine anderen Untersuchungen: "Die Gesichter des Mars. Krieg im Wandel der Zeiten" (1989), die zwei 500seitigen Werke "Erich Ludendorf in seiner Zeit" (zwei Auflagen 1995/96) und "Alfred von Tirpitz in seiner Zeit" (1996), "Das Versailler Diktat" (1999), "Der Krieg. Gestern, Heute - Morgen?" (2001) und viele mehr. 

Als Militär in Lagefeststellung und -beurteilung geübt, will der Historiker wissen, "wie es eigentlich gewesen". Er urteilt auch in Rankes Sinn aus der Zeit, "die unmittelbar zu Gott" ist und nicht zu heutiger "Moral". Dazu geht er akribisch in die Quellen und stellt oft fest, daß gerade renommierte Nachkriegshistoriker gegen die Fakten urteilen und durch Auslassen sowie Manipulieren von Quellen ein für Deutschland negatives Bild erzeugen.

Uhle-Wettler schreibt, anekdotisch gewürzt, in der knappen, anschaulichen Sprache deutscher Militärtradition. Zu einem Ereignis liefert er immer wichtige Erkenntnisse zum Verständnis der Zeit, auch durch den Blick auf die gleichzeitigen Verhältnisse im Ausland. Er kämpft nicht mit Fußnotenurteilen. Er legt Quellen und Argumente so offen dar, daß der Leser selbst urteilen kann. Diese wenig zeitgeistige historische Aufbereitung irritiert viele "etablierte" Medien und Institutionen jedoch derart, daß sie oft nur mit hilflosem Beschweigen seiner Publikationen reagieren.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen