© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

Zeitschriftenkritik: Welt und Umwelt der Bibel
Apokryphen als Lückenfüller
Werner Olles

Die im 12. Jahrgang vierteljährlich im DIN-A-4-Format mit einem Umfang von jeweils ca. achtzig Seiten erscheinende Zeitschrift Welt und Umwelt der Bibel ist die deutsche Ausgabe der französischen Zeitschrift Le Monde de la Bible. Das im Verlag "Katholisches Bibelwerk e.V." herausgegebene und reichbebilderte Magazin mit dem Untertitel "Archäologie - Kunst - Geschichte" möchte nicht nur das Verständnis der biblischen Welt fördern und die religionsgeschichtlichen und archäologischen Umstände der biblischen Texte beleuchten, sondern auch Einblicke in das Alltagsleben jener Zeit ermöglichen, über aktuelle Ausgrabungen informieren und seine Leser mit entsprechenden Buchtips, Kartenmaterial und Internetlinks versorgen.

Die Mitarbeiter der Zeitschrift, renommierte Neu- und Alttestamentler, Judaisten, Islamwissenschaftler, Kunsthistoriker und Archäologen, informieren in ihren Beiträgen umfassend und verständlich über Themen wie "Die Schöpfung", "Christus in der Kunst", "Die zehn Gebote", Liebe und Eros zur Zeit der Bibel", "Prophetie und Visionen" oder "Von Jesus zu Mohammed". So befaßt sich die aktuelle Ausgabe mit dem Schwerpunktthema "Jesus in den Apokryphen". Tatsächlich sind die apokryphen Schriften fast alle später entstanden als die kanonischen Evangelien, sorgen jedoch immer wieder für viel Aufregung, sei es, "weil sie als scheinbar historische Grundlage von Romanen benutzt werden, die versprechen, die ganze Wahrheit über Jesus zu offenbaren, oder weil neue apokryphe Texte entdeckt werden", wie Barbara Leicht in ihrem Editorial schreibt.

Die meisten dieser Texte bringen zwar keine neuen und bahnbrechenden historischen Erkenntnisse, sind aber doch aufschlußreich, weil sie zeigen, wie das junge Christentum sich mit verschiedenen geistigen Strömungen, beispielsweise mit der Gnosis, auseinandersetzen mußte. Zudem wurden sie weiterhin tradiert, auch wenn sie, wie das Judas- oder das Philippusevangelium, nicht in die Bibel aufgenommen wurden. Vor allem über die Kindheit Jesu und die Ereignisse nach der Auferstehung, von denen die kanonischen Evangelien nur wenig und zurückhaltend berichten,  kann man in den apokryphen Evangelien einiges erfahren. Hier füllen sie in der Tat biographische Lücken der vier Großevangelien auf. Andererseits ist es auch verständlich, daß die apokryphen Schriften von der frühen Kirche nicht für den Gebrauch im Gottesdienst zugelassen wurden, da sie oft Erzählungen gnostischer Sondergruppen waren.

Über ihren historischen Wert urteilen die meisten Alt- und Neutestamentler inzwischen jedoch eher zurückhaltend. Zwar könne der eine oder andere Spruch aus dem Thomasevangelium zum Beispiel sich durchaus als ein historisches Wort Jesu erweisen bzw. "eine ältere Gestalt von Jesusworten wiedergeben", dennoch sollte man auch hier sehr kritisch und skeptisch sein, schreibt Franz-Josef Ortkemper in seinem Beitrag "Was die Evangelien nicht erzählen". Doch zeigten sie, daß Jesus für die Christen nie nur eine Gestalt der Vergangenheit gewesen ist, sondern immer die jeweilige Gegenwart bewegt hat.                      

Anschrift: Postfach 1503, 70076 Stuttgart. Der Einzelpreis beträgt 9,80 Euro, das Jahresabo kostet 34 Euro.Internet: www.weltundumweltderbibel.de


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