© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/07 19. Oktober 2007

Staatstreu
Umfrage: Deutsche lehnen Privatisierungen ab
Josef Hämmerling

Die Mehrheit der Deutschen will auch weiterhin einen starken Staat und spricht sich gegen eine weitere Privatisierung staatlicher Dienstleistungen aus. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (dbb). Lediglich 24 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, noch mehr öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren. Das gilt vor allem für Polizei und der Justiz. 52 Prozent der insgesamt 3.000 Befragten meinen, die Bürokratie sei in anderen EU-Ländern geringer als in Deutschland.

Die größte Zustimmung für einen starken Staat äußerten die Anhänger der Linkspartei (78 Prozent). Mit 73 Prozent folgen die CDU-Wähler, gefolgt von 68 Prozent der SPD-Wähler und immerhin auch noch 64 Prozent der Grünen-Wähler. Von den FDP-Wählern sprechen sich knapp 54 Prozent für einen starken Staat aus. Der Auffassung, daß man heute immer weniger Staat brauche, stimmen nur 17 Prozent aller Bürger zu.

Obwohl eine klare Mehrheit also einen starken Staat befürwortet, beklagen 69 Prozent der Bürger, daß es derzeit in Deutschland zuviel Bürokratie gebe. Nur eine Minderheit hält das Ausmaß der Bürokratie für gerade richtig oder gar für zu gering. Vor allem Angestellte und Selbständige sowie die Anhänger der FDP kritisieren das Ausmaß der staatlichen Bürokratie. Doch bei dieser Kritik gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. So werden zwar die Gebühren im Paketdienst nach der Privatisierung als teurer beurteilt. Dafür hat nach Ansicht der Befragten die Qualität deutlich zugenommen. Ganz klar schlechter bewertet wird dagegen die Bahn nach der Teilprivatisierung. Dort seien sowohl die Preise teurer als auch die Qualität schlechter geworden.

Doch trotz aller Kritik an der Bürokratie teilen viele Bürger der Umfrage zufolge den Ruf nach mehr Privatisierung nicht. So ist es für fast alle Bürger unvorstellbar, hoheitliche Aufgaben wie die der Polizei, des Gerichtswesens oder des Strafvollzugs zu privatisieren. Von der Finanzverwaltung, der Feuerwehr, den Schulen und der Rentenversicherung kann sich ebenfalls die große Mehrheit nicht vorstellen, daß diese Dienstleistungen Privatunternehmen übertragen werden sollten.

Bei den Hochschulen und Krankenhäusern meint zwar auch noch eine klare Mehrheit von rund zwei Drittel, daß beides in öffentlicher Hand verbleiben sollte. Ein Drittel aber könnte sich immerhin vorstellen, daß Hochschulen und Krankenhäuser genausogut von privaten Anbietern betrieben werden könnten. Bei der Müllentsorgung, der Arbeitsvermittlung, der Energieversorgung, dem öffentlichen Nahverkehr und den Theatern und Museen hält es eine Minderheit von 33 bis 41 Prozent für zwingend erforderlich, daß diese Dienstleistungen in der öffentlichen Hand verbleiben.

Interessant und widersprüchlich ist die Einschätzung von Beamten. So haben nach Angaben von Forsa 61 Prozent der Befragten vorwiegend negative Ansichten über diese Berufsgruppe, wobei der Vorwurf überwiegt, Beamte hätten zu viele Privilegien. 50 Prozent gaben aber immerhin auch noch neutrale Bewertungen von sich, während lediglich acht Prozent der Befragten auch positive Bewertungen einfallen. Diese Einschätzung ist in ganz Deutschland nahezu gleich. Interessant ist aber, daß trotz dieser insgesamt negativen Einschätzung 75 Prozent die Beamten als pflichtbewußt bezeichnen.


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